Miles Flint 05 - Paloma
hatte zunächst niemand mit ihm sprechen wollen. Es war beinahe, als gehöre er überhaupt nicht zur Polizei. Als er dann endlich doch die Aufmerksamkeit eines Beamten hatte gewinnen können, hatte er den Eindruck, diese Person, ein älterer Mann, wäre regelrecht wütend, weil er sich nach der Taube erkundigte.
»Wenn Sie das Schiff gesichert sehen wollen, dann hätten Sie uns rufen sollen«, hatte der Mann gesagt, und er hatte nicht Unrecht. Nyquist hätte, als er von der Taube erfahren hatte, sofort anrufen sollen, um die Versiegelung des Schiffs anzuordnen. Natürlich wäre es auch dann schon zu spät gewesen. DeRicci hatte ihm erst vor einer Stunde von der Taube erzählt; alles, was er noch hatte tun können, war, ein Team zusammenzustellen und so schnell wie möglich herzukommen. Er hatte nicht einmal daran gedacht, das Schiff versiegeln zu lassen.
Flint war ihm einen halben Tag voraus. Und der Überwachungsaufnahme zufolge war er längere Zeit an Bord der Taube gewesen. Um alles noch schlimmer zu machen, hatte er, bevor er sein eigenes Schiff, die Emmeline, betreten hatte, noch mit einer Reporterin gesprochen.
Nyquist hatte auch einen Antrag zur Versiegelung der Emmeline bei einem Richter eingereicht, aber die wollte er durchführen, ohne dass Flint davon erfuhr, und er war nicht sicher, ob das möglich war, bedachte man die eher lockeren gesetzlichen Bestimmungen hinsichtlich der Schiffe im Hafen.
»Sollen wir zuerst reingehen?«, fragte die Frau neben ihm. Sie war groß und hager. Ihr Name war Deepa Zengotita. Sie war eine der Besten im Department, darauf spezialisiert, mobilen technischen Geräten – Schiffe, Luftwagen, Hochgeschwindigkeitszüge – Informationen zu entlocken. Er konnte von Glück sagen, dass er sie so kurzfristig bekommen hatte.
»Nein«, meinte Nyquist. »Wenn Sie den Zutritt freigeben, möchte ich bei den weiteren Untersuchungen dabei sein.«
Die Freigabe wurde erteilt, sobald einer oder mehrere Angehörige des Teams an Bord gegangen waren und sich vergewissert hatten, dass dort keine bösen Überraschungen lauerten. Jedes Ermittlerteam löste dieses Problem auf seine eigene Weise. Er hatte noch nie mit Zengotita zusammengearbeitet, also wusste er nicht, wie sie üblicherweise vorzugehen pflegte.
Sie selbst hatte das übrige Team zusammengestellt. Drei Männer und eine Frau. Keiner dieser Ermittler war an dem Tatort in Palomas Wohnung dabei gewesen. Nyquist hatte gezielt um ein neues Team gebeten. Er wollte nicht, dass dieses Team mit einer vorgefassten Meinung an die Arbeit ging.
Dennoch hatte er Zengotita darüber informiert, dass an diesem Nachmittag ein möglicher Verdächtiger an Bord des Schiffes gegangen war. Sie schaltete sofort. Sie wusste, dass folglich alle Informationen, auf die seit dem Morgen zugegriffen worden war, höchste Aufmerksamkeit erforderten.
Die andere Frau ging auf das Schiff zu. Zengotita blieb bei Nyquist stehen. Das Sicherheitsprotokoll verlangte, dass jeder Ort, den ein Verdächtiger nach einem Verbrechen aufgesucht hatte, als potentiell gefährlich zu betrachten war. Allzu viele Detectives und Tatortspezialisten waren schon ums Leben gekommen, weil sie einen Tatort betreten hatten, ohne sich vorher abzusichern.
Die andere Frau trug einen Anzug, der der Ausrüstung von HazMat ähnelte und dazu diente, sie vor allem zu schützen, was sie an Bord vorfinden würde. Die anderen trugen nur die gewöhnlichen Schutzanzüge, die verhindern sollten, dass irgendwelche Spuren in den Tatort hineingeschleppt wurden, ihre Träger gleichzeitig aber auch vor kontaminiertem Spurenmaterial schützen sollten.
Sie bewegte sich leichtfüßig. Obwohl sie das jüngste Mitglied der Truppe war, hatte sie ein Selbstvertrauen, wie man es nur durch langjährige Erfahrung erwirbt. Ehe sie die Hand nach der äußeren Luke ausstreckte, untersuchte sie diese nicht nur mit den Augen, sondern auch mit ihren Informationschips und den mobilen Scannern.
Dann sah sie sich über die Schulter um und nickte Zengotita zu.
»Viel Glück«, rief Zengotita, und das Beben ihrer Stimme verriet, dass diesen Worten in ihrem Team etwas Abergläubisches anhaftete. Hatte irgendwann jemand vergessen, sie auszusprechen? War bei solch einer Mission jemand zu Tode gekommen?
Nyquist wollte es gar nicht wissen. So sehr er sich bemühte, keinem Aberglauben zu verfallen, hing er doch einigen entsprechenden Vorstellungen nach – er überprüfte beim Verlassen seiner Wohnung zweimal, ob die Tür
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