Miles Flint 06 - Kallisto
sie vor den Toren des Hafens in einer Stadt, die für eine Kuppelstadt irgendwie zu neu aussah. Jedes Gebäude war farblich nach der neuesten Mode gestaltet und mit den modernsten Fenstern ausgerüstet. Die Gehsteige waren einmalig gut, die Straßen sahen unbenutzt aus, obwohl Dutzende von Wagen über die Oberfläche fuhren.
Die meisten Luftwagen hatten offizielle Kennzeichen – ob diese Kennzeichen von Aleyd oder der Stadtregierung stammten, war dabei nicht von Bedeutung –, die Wagen auf dem Boden nicht.
Gonzalez bekam langsam ein Gefühl für ihre Umgebung. Vielleicht fühlte sie sich auch deswegen schmutzig und nicht so sehr wegen Kazins Methode, seinen Beruf auszuüben.
Nachdem er sie vom Schlangestehen erlöst und darüber informiert hatte, dass Oberholst bereits auf dem Weg in sein Hotel war, war Kazin zurück in den Hafen gehuscht – offensichtlich auf der Suche nach weiteren Klienten. Derweil erhielt Gonzalez, kaum dass sie den Hafen verlassen und ihre Links wieder aktiviert hatte, eine Nachricht von Oberholst, der sie anwies, zu ihm zu kommen, sobald sie Talia Shindo lokalisiert hatte.
Danke für die Unterstützung, hätte Gonzalez am liebsten geantwortet. Aber sie war nicht so dumm, ihren Boss anzugreifen, besonders diesen Boss – den Seniorpartner der ganzen Kanzlei, den größten Anteilseigner und einen der mächtigsten Anwälte in ganz Armstrong.
Und, so schien es, auch an anderen Orten des Solarsystems.
Sie stellte ihre kleine Tasche ab und fuhr sich mit den Fingern durch das Haar. Sie stand schon zu lange hier herum.
Ein Luftwagen hielt auf Augenhöhe, und das Fenster auf der Beifahrerseite wurde geöffnet. Ein Mann beugte sich zu ihr.
»Sind Sie …«
»Nein«, sagte sie. »Danke.«
Sie hatte in der letzten halben Stunde schon genug Taxis weggeschickt, um jedes weitere auf Anhieb zu erkennen. Sie schienen sich samt und sonders auf sie zu konzentrieren. Vielleicht lag es an der Tasche, vielleicht auch an der Tatsache, dass sie schon so lange hier herumlungerte. Vielleicht war es auch einfach so, dass sie sich stets so verhielten, wenn jemand ganz allein vor dem Hafen stand.
Sie wich zurück, näherte sich der Wand des Hafengebäudes und legte eine Hand an ihr Ohr. Sie aktivierte ihren Link und empfing weißes Rauschen. Er funktionierte noch, obwohl sie so nahe am Hafen war, aber sie erhielt keine Ergebnisse.
In dem Moment, in dem sie das Gebäude verlassen hatte, hatte sie ihre Links reaktiviert. Das war auch der Moment, in dem sie die Nachricht von Oberholst erhalten hatte, in der sie aufgefordert wurde, in das Hotel zu kommen, nachdem sie Talia Shindo gefunden hatte.
Gonzalez hatte angenommen, sie würde von ihrem Hotelzimmer aus tätig werden, aber diese Vorstellung hatte Oberholst ihr schnell wieder ausgetrieben. Er wollte erst das Mädchen finden. Für Bequemlichkeiten war später noch Zeit.
Damit hätte sie rechnen müssen. Sie hätte selbst darauf kommen müssen. Aber sie hatte üblicherweise nichts mit Klienten in Notsituationen zu tun. Die meisten ihrer Klienten wurden bereits eines Verbrechens beschuldigt oder ihnen wurde fälschlich irgend etwas zur Last gelegt.
Und das alles spielte sich in Armstrong ab, einem Ort, dessen Gesetze ihr vollständig bekannt waren.
Sie hatte sich die Gesetze des Valhalla Basins heruntergeladen, hatte aber keine Zeit gefunden, sie zu studieren. Statt dessen hatte sie eine kleine Datei angelegt und einen direkten Link zu ihrem Gehirn geschaffen. So konnte sie zumindest stets auf oberflächliche Kenntnisse zurückgreifen – eine temporäre Maßnahme, die sie wenigstens einigermaßen auf den Stand eines schlechten einheimischen Juristen bringen sollte.
Aber diesen Informationseinblendungen mangelte es an Tiefe. Sie befähigten sie nicht zu einem tieferen Verständnis der Funktionsweise des hiesigen Rechtssystems. Eine vage Ahnung hatte ihr bereits Kazin vermittelt, und die gefiel ihr keineswegs.
Wie es schien, wurde im Valhalla Basin so manches unter der Hand geregelt, und noch weit mehr unterlag schlicht dem Einfluss von Aleyd. Das bedeutete, dass die hiesigen Gesetze vielschichtiger sein mussten als die in Armstrong, die recht unkompliziert waren. Armstrong war auch nicht frei von Korruption, doch war man ständig darum bemüht, die Stadtregierung sauber zu halten.
Und dann und wann sogar mit Erfolg.
Sie seufzte und wartete. Neben dem Herunterladen der juristischen Informationen hatte sie auch eine Botschaft geschickt, in der sie sich
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