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Militärmusik - Roman

Militärmusik - Roman

Titel: Militärmusik - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stollfuß
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heute kein Einsatz. Heute feiern wir.«
    Georg wandte sich wieder mir zu: »Manchmal lacht der Vogel auch wie der Satan, das macht einen reich, aber wenn er weint, dann stirbt jemand.«
    »Wer soll denn jetzt noch hier sterben?«, fragte ich ihn.
    »Es muss nicht unbedingt hier sein, es kann auch in Sotino einer sterben«, antwortete Georg verlegen und guckte zu Boden.
    Langsam bekam ich Angst vor dem Dorfleben mit diesen unheimlichen Geschichten, der völligen Abwesenheit der staatlichen Ordnung und der mystischen Abhängigkeit von einem Ziegenmelker. Auch schien mein Freund seinen neuen Reichtum dort gar nicht genießen zu können, er hätte höchstens seine Weihnachtskalender-Kollektion dem Ziegenmelker zum Opfer darbringen können, dessen Kult er verfallen war. Überall sah ich Symptome von Verblödung. Frauen gab es auch nicht, und die Männer hatten sich wie unter Zwang die halbe Nacht lang bloß besoffen. Ich fühlte mich äußerst unwohl. Am nächsten Tag verließ ich meinen Freund und fuhr zurück nach Moskau zu meinem Park. Nicht jeden macht das Landleben glücklich.
    ***
    Doch als ehrenamtlicher Gärtner wollte ich auch nicht mehr länger schuften. Mal sehen, was passiert, dachte ich und machte Urlaub. In einer Bibliothek für Kinder und Jugendliche stahl ich einen alten Jahrgang der Zeitung »Die Hupe« und schloss mich in meinem Zimmer ein. Nach drei Tagen klingelte das Telefon. Es war der Leiter der Personalabteilung. Er wunderte sich, dass ich nicht mehr zur Arbeit kam. »Ohne Geld und ohne jeglichen Sinn im Park rumzuhängen, das ist keine ehrenvolle Beschäftigung für mich«, meinte ich. Der Leiter der Personalabteilung bestellte mich zu sich ins Büro und versprach, dass meine Tätigkeit im Park fortan ganz anders gestaltet sein würde. Viel Geld und große Aufgaben würden auf mich warten.
    Inzwischen hatte ich bereits von den Humor- und Satire-Seiten der Zeitung »Die Hupe« die Nase voll. Die reichen Geldsäcke mit Zigarren im Mund und Pinochetähnliche Gestalten suchten mich schon im Schlaf heim und redeten mit mir in dem typischen Ton der »Hupe«–über das Elend und den Unfug in der kapitalistischen Welt. Ich überlegte nicht lange und ging wieder in den Park.
    Während meiner Abwesenheit hat sich dort einiges verändert. Der Direktion des Betriebes war aufgefallen, was für eine wichtige Rolle der Park im Leben ihrer Arbeiter spielte. Jeden Tag gingen sie durch den Park zur Arbeit und abends den gleichen Weg nach Hause zurück. Die grüne Landschaft brachte die Arbeiter oft dazu, die eine oder andere Flasche unter dem einen oder anderen Baum zu leeren und anschließend hinter den Büschen ein Nickerchen zu machen. Aus diesem Grund erschienen viele Mitarbeiter des Betriebes morgens nicht rechtzeitig zur Arbeit und kamen abends nicht mehr nach Hause. Das verminderte die Produktion von U-Booten, die das Land brauchte, und zerstörte außerdem das gesunde Familienleben, welches das Land forderte.
    In diesem Dilemma kam der Direktion der Gärtner gerade recht, und zwar als zentrale Person, die dem Park seine ursprüngliche gesellschaftlich-erzieherische Funktion wiedergeben sollte. Ganz im Sinne der Bekämpfung des Alkoholismus in der Arbeiterklasse wurde für den Park mit Hilfe der Moskauer Philharmoniker ein kulturelles Programm entworfen, das den Namen »Sommertheater« bekam. Die Moskauer Theater und Musikschulen funktionierten wie alle anderen Bildungsstätten auch nach den Regeln der Planwirtschaft. Jedes Jahr produzierten sie allein in Moskau Hunderte von Schauspielern und Musikern – viel mehr als die Stadt beschäftigen konnte. Die Schlauen erkämpften für sich ein lauschiges Plätzchen beim Fernsehen oder in den großen Kulturhäusern, der Rest ließ sich in der Moskauer Philharmonie nieder, einer Art Abflussbecken der russischen Kultur. Mit den Jahren wurde diese Organisation immer mächtiger und konnte zuletzt aus eigener Kraft eine Erster-Mai-Parade auf dem Roten Platz veranstalten, inklusive des jubelnden Publikums und des gesamten Politbüros auf der Tribüne.
    Für ein Sommertheater waren die Fachkräfte der Philharmonie natürlich sofort zu haben, schließlich bekamen sie für ihre Auftritte eine zusätzliche Gage. In der Nähe des Fußwegs, der quer durch den Park führte, wurde eine Bühne in Form einer Kurmuschel aufgebaut und Bänke davor aufgestellt. Meine Aufgabe als Gärtner bestand nun darin, die Künstler dreimal in der Woche zu empfangen. Außerdem musste ich bei

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