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Militärmusik - Roman

Militärmusik - Roman

Titel: Militärmusik - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stollfuß
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hatte neue Zähne – auch aus Gold. Sie lud George zum Essen ein und berichtete ihm, was nach seinem Verschwinden passiert war. Die Geschichte mit dem Bruder und dem Garten stimmte! Mehr noch, nach kurzer Zeit hatte sich der Zahntechniker in Daima verliebt und sie in sein Kalifat aufgenommen. Er machte sie zu seiner Lieblingsfrau und behängte sie von vorne und hinten mit Gold. George sei ihr Schutzengel, meinte sie, ihm allein hätte sie all das zu verdanken. Und George, der gerade wieder völlig pleite war, hörte sprachlos zu. Nach dem Essen gab Daima ihm hundert Rubel zum Andenken an ihre Freundschaft und wünschte ihm viel Glück. George betrank sich an diesem Abend und verpasste den Rückflug.

Das Leben im Park
    1982 fand in meinem Land ein Machtwechsel statt. Der neue Generalsekretär erklärte den Kampf gegen das Schmarotzertum zum Programm und brachte damit in mein ohnehin nicht leichtes Leben und in das Leben meiner Freunde noch mehr Schwierigkeiten. Wir waren jung und steckten voller Ideen, richtig zu arbeiten hatte niemand Lust. Aufgewachsen in einer sozialistischen Gesellschaft, wo jeder, der keine politischen Ansprüche hatte und das System nicht bekämpfen wollte, auch ohne Arbeit immer auf seine Kosten gekommen war, konnten wir einer achtstündigen täglichen Maloche nichts abgewinnen.
    Doch die Zeiten änderten sich. Es wurden Maßnahmen ergriffen. In Moskau kam es sogar zu Razzien: Uniformierte und zum Teil selbst als Schmarotzer getarnte Polizisten klapperten tagsüber die Kinos ab, hielten in Saunas und Bierbars nach Verdächtigen Ausschau und stellten überall den dort angetroffenen Menschen dieselbe blöde Frage: »Wie ist der Name deines Chefs?« Wenn man nicht zufällig einen Schwerbehindertenausweis dabeihatte, in dem stand, dass der Inhaber auf gar keinen Fall irgendetwas anderes tun darf, als in einem Kinosaal zu sitzen, war die Bestrafung verheerend. Kurzum: Das Volk litt, und wir litten mit unserem Volk mit.
    Die neue politische Strömung bewirkte, dass viele meiner Zeitgenossen anfingen, sich brennend für Geografie zu interessieren. Mein Freund Georg kaufte sich sogar einen ausklappbaren Atlas. Zu Hause faltete er ihn auf und war völlig überwältigt von der Weite und Breite seines Landes. Einmal saßen wir bei ihm in der Küche auf dem Fußboden und kifften. Georg teilte mir stolz seine neuesten Entdeckungen mit. Er zeigte mir mit dem Finger viele große rote Flecken auf der Landkarte, die in keiner Weise beschriftet waren.
    »Weißt du, was das ist?«, fragte er mich aufgeregt, »das ist Mutter Erde, unser aller Mutter. Ich ziehe aufs Land, dort kriegen sie mich nicht wegen Schmarotzerei dran.«
    Ich widersprach und erinnerte ihn daran, dass man gerade auf dem Land jeden Tag ackern musste.
    »Du kennst doch das Bild ‘Die unterdrückten Bauern verbrennen das Haus ihres Gutsbesitzers’ von Michail Krawtschuk.«
    Jeder kannte dieses Bild, es war auf dem Umschlag des Lehrbuchs »Sowjetische Literatur« der sechsten Klasse Grundschule abgedruckt. Georg war jedoch von seiner eigenen Idee so überwältigt, dass er mir gar nicht zuhörte.
    »Die Kommunisten spinnen. Die tun die ganze Zeit nichts anderes, als uns einfache Menschen zu verwirren, damit wir endgültig vergessen, wo wir herkommen. Diese roten Flecken sind unsere Zukunft, ich ziehe aufs Land.«
    Ich glaubte ihm nicht, doch wenig später war er wirklich weg. Ich blieb in der Stadt und beschaffte mir einen Job als Gärtner in einem Erholungspark. Am Anfang war alles easy. Genau genommen sollte ich gar nichts tun, nur im Park sitzen und aufpassen, dass alle Bäume da waren. Doch Arbeit ist Arbeit. Blitzschnell kamen die ersten Schwierigkeiten. In diesem wie auch in jedem anderen Park gab es eine eigene Clique, die aus den Jugendlichen bestand, die drum herum wohnten. Ein Mädchen aus der Clique verliebte sich in mich und kam oft zu meiner Bank. Wir sprachen über das Leben, und ich habe dabei eine sehr wichtige Entdeckung gemacht. Ich habe nämlich eine besondere Sorte von Menschen kennen gelernt, die ich noch immer, nach zwanzig Jahren, als »Mädchen aus dem Park« bezeichne. Die eigentliche Schwierigkeit war, dass der Anführer dieser Clique hoffnungslos in das Mädchen verliebt war, und das schon seit langer Zeit. Nun kam auch er an meine Parkbank, manchmal mit einem großen Stein in der Hand. Er drohte mir, dass er notfalls im Stande wäre, uns beide zu töten. Diese Beziehungskiste und diese abstoßenden Gespräche, die

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