Milliardengrab (German Edition)
Geschwindigkeit.
Beim
Tennisplatz angekommen, warf er sich in Positur und hatte dabei die Sonne im
Rücken. Der Schatten, den Eisensteins eindrucksvoller Umfang warf, verdunkelte
einen Teil des Platzes schlagartig. Ferry Lugner kannte Eisenstein nur vom
Hörensagen. Trotzdem wusste der Freund von Thomas, wer ihm da auflauerte. Ferry
verfluchte Thomas vorsorglich.
Das
Warten war beileibe nicht Eisensteins Stärke, doch er biss die Zähne zusammen
bis Ferry das Match verloren, sich geduscht und umgezogen hatte - eine Ewigkeit
für den hektischen Eisenstein.
»Ich
bin der Chef vom Thomas!«, so lief er ihm mit ausgestreckter Rechter entgegen.
Ferry versuchte zu flüchten, doch er kannte Eisenstein eben nicht. Der Versuch
war zum Scheitern verurteilt.
Eisenstein
wäre nicht Eisenstein, wenn Ferry Lugner nicht nach fünf Minuten mit Hingabe an
seinen Lippen gehangen hätte und sich nebenbei bewusst wurde, dass er sich
diesen Menschen keinesfalls zum Feind machen durfte.
Der
lobte die Talente des Junganwaltes und garnierte sie unterschwellig mit zart
angedeuteten Drohungen wie zum Beispiel:
»Ich
könnte ja meinen alten Freund Waldegg fragen.«
Oder:
»Es ist heutzutage leider eine Tatsache, dass die schreibende Zunft ganze
Karrieren bestimmt. Wobei ich zu meinem Bedauern einräumen muss, und ich nehme
da unser eigenes Blatt nicht aus, dass ein handfester Skandal bis zum Speien
ausgeschlachtet wird und das Positive meist untergeht … wir leben in einer
schrecklichen Zeit. Der Verfall der Sitten ist, so fürchte ich, nicht mehr
aufzuhalten!«
Die
Blunzn erfuhr innerhalb weniger Minuten alles aus der SED-Akte, was ihn
interessierte.
»Lieber
Doktor, vergessen Sie nicht mich anzurufen, wenn Sie einen interessanten
Prozess führen … mein Bericht, selbstverständlich werde ich ihn persönlich
verfassen, wird Sie nicht enttäuschen! Ich weiß es zu schätzen, dass ich einen
der führenden Anwälte der Stadt kennenlernen durfte, meine besten Empfehlungen
an die Frau Gemahlin.«
Dass
Ferry Lugner, der ein Kreuz schlug als Eisenstein sich zum Gehen wandte, noch
keine Gemahlin hatte, war dabei unerheblich.
Die
Blunzn vergaß die kärgliche Existenz des Ferry Lugner augenblicklich. Zufrieden
quetschte er sich in seinen Wagen und steuerte das Hietzinger-Bräu an - es war
ihm nach einem gesottenen Hüferscherzl.
Monaco
Fürst
Albert I. ließ 1899 das Ozeanografische Museum am Hang von Monaco-Ville
errichten. Er hatte von seinen zahlreichen Expeditionen unzählige meereskundliche Objekte
als Erinnerungsstücke in das Fürstentum mitgebracht und wollte diese den
Bürgern zugänglich machen. Darunter befand sich auch der Lepidoteuthis grimaldii, der 1895 im Erbrochenen eines
harpunierten Pottwals gefunden wurde. Die Benennung erfolgte nach seiner
Familie. Überdies vertrat der Fürst die Meinung, dass ein Museum der Ozeanografie
zugleich ein Heimatmuseum sein würde.
An
diesem Tag beherrschten 18 zwölfjährige Buben aus San Remo das Geschehen im
Haus. Lärmend zogen sie durch das mehrgeschossige Gebäude und erschreckten
dabei so manch betagte Touristin. Die junge Lehrerin, welche die Meute
beaufsichtigen sollte, war hoffnungslos überfordert.
Sie
war erleichtert, als pünktlich um zwei Uhr alle ihre Schüler am kleinen Pier
unterhalb des Museums versammelt waren - es war kein Wunder, denn hier startete
man zum Höhepunkt des Ausfluges. Seit zwei Jahren brachte ein U-Boot, das mit
großen Fenstern ausgestattet war, Touristen auf den Meeresgrund. Eine Stunde
sollte das Spektakel dauern. Da war sogar die aufgeregte Meute ruhig und die
Jungs starrten andächtig durch die Bullaugen auf Fische, Kraken und sonstiges
Getier. Plötzlich war ein Aufschrei in der ungewöhnlichen Stille zu hören:
»Un
cadavre! Singnorina, una morte!« Die Lehrerin war
überzeugt, dass die Fantasie mit dem Buben durchgegangen war. Trotzdem
setzte sie sich zu ihm und suchte die angebliche Leiche am Meeresgrund. Der
Junge hatte nicht fantasiert. Da lag eine Leiche, vermutlich eine Frau, angekettet
an eine Art Eisenkugel. Der Ausflug mit dem U-Boot musste vorzeitig abgebrochen
werden.
Während
Thomas den Golf seines Vaters über die Autobahn nach Zürich jagte, versuchte er
auszurechnen, wie viel eine Milliarde Deutsche Mark waren. Nicht in Ziffern, in
Werten. Es gelang ihm nicht.
Sein
Gehirn rechnete noch immer angespannt, da überholte ihn ein Streifenwagen der
Polizei. Schnell warf er einen Blick auf den Tacho. Das
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