Milliardengrab (German Edition)
überging, war es an der Zeit, gebührenden Abstand zu
schaffen.
Thomas
wandte sich einem Thema zu, das für die gesamte Menschheit von eminenter Bedeutung
war: der österreichischen Innenpolitik.
Es
war dienstags, der 21. Dezember 1993, der wöchentliche Ministerrat tagte.
Jedermann war mit dem Kopf schon in den Feiertagen oder zumindest mit
nervenaufreibenden Vorbereitungen für das Fest der Ruhe beschäftigt. Thomas war
mit seinen Gedanken allerdings in anderen Sphären. Er besuchte, weil neuerdings
von Eisenstein so angeordnet, den wöchentlichen Ministerrat und die
darauffolgende Pressekonferenz ohne große Erwartungshaltung. Soweit man bei
derartigen Veranstaltungen an so etwas überhaupt denken konnte. Außer den
besten Wünschen der Regierung war kaum etwas zu erhoffen. Dementsprechend
spärlich war der Saal am Ballhausplatz gefüllt. Einige Stühle waren noch frei.
Der gute Grund für sein Erscheinen war nicht nur Eisensteins Wunsch, sondern
auch die neue Redakteurin der Tagespresse - eine Publikation, die Eisenstein
gerne gehässig als den »St. Pöltener Osservatore Romano« bezeichnete. Besagte
Jungredakteurin war um die fünfundzwanzig, frisch von der Uni und frei von
jeder Erfahrung im Mediengeschäft. Thomas, als alter Hase, hatte vor, ihr zur
Seite zu stehen. Was eignete sich dafür besser, als eine romantische kleine
Skihütte am Arlberg? Thomas hatte für die Feiertage vorsorglich eine
angemietet. Dazu ein Zitat der Blunzn: Der Mensch denkt, Gott lenkt und
Eisenstein brennt - die Hütte am Arlberg war nicht billig gewesen.
Thomas
betrat das Pressefoyer im Parlament und sah, dass seine Auserkorene in der
letzten Reihe saß. Er nahm neben ihr Platz und setzte sein bewährtes
Lausbubengesicht auf. Sie nickte ihm kurz zu, ein guter Anfang.
Die
Bundesregierung, beinahe vollzählig, mit Bundes- und Vizekanzler an der Spitze,
betrat das Podium und die Pressestunde begann mit dem üblichen Firlefanz. Der
Finanzminister machte ein riesiges Brimborium aus einer noch nicht
beschlossenen, mickrigen Steuersenkung im kommenden Jahr und jeder wusste
Positives aus seinem Ressort zu berichten - kurzum, die üblichen, wenig
gefälligen Nachrichten aus dem politischen Alltaggeschehen.
»A
guata Schmäh!«, wie die Wiener sich auszudrücken belieben. Das Handy in der
Sakkotasche von Thomas klingelte unpassend. Er hatte vergessen, es abzustellen.
Sämtliche Augen im Raum waren auf ihn gerichtet. Salopp fischte er das Ding
hervor, sah Eisensteins Nummer und drückte den Empfangsknopf. Dann lauschte er,
dem Auditorium den Rücken zugewandt, Eisensteins brisanter Nachricht.
»Es
gibt Neuigkeiten aus der Normannenstraße!«
Im
Hintergrund war eine ärgerliche Stimme zu hören:
»Ich
bitte um Ruhe!« Thomas winkte mit der Linken ärgerlich ab. Schallendes
Gelächter war die Folge. Es war der Bundeskanzler gewesen, der sich Ruhe
ausbat. Thomas murmelte etwas von Entschuldigung und schlich eilig aus dem
Saal.
»Was
war denn?«, wollte Eisenstein auf der Stelle wissen.
»Nichts,
der Bundeskanzler wollte seinen Mund nicht halten, während ich mit meinem Vorgesetzten
sprach!«
»Hoffentlich
hast du ihn entsprechend in die Schranken gewiesen. Ich werde dem Burschen die
Leviten lesen müssen!«, lachte der alte Eisenstein entzückt.
»Habe
ich schon erledigt, also was gibt es?«
»Nimm
was zum Schreiben.« Thomas zückte Stift und Block.
»Fertig.«
»00491503597326.
Haben wir das? Man wartet auf deinen Rückruf … Vielleicht ist es vernünftiger,
wenn du nicht von deinem Telefon aus anrufst. Geh in ein Café oder aufs
Postamt, aber sofort! Mir kommt die Geschichte nicht koscher vor. Ich will
deinen Leichnam nicht unbedingt zu den Feiertagen auf der Gerichtsmedizin
besichtigen müssen. Bekanntermaßen bin ich Ästhet, dein Kadaver könnte mir den
Appetit auf das Weihnachtsgansl verderben.«
»Jawohl!
Das akzeptiere ich selbstverständlich - ich werde mein Hinscheiden
aufschieben.«, man hörte, wie Thomas die Hacken zusammenknallte. Per pedes
hetzte er ins Café Landtmann, wo es die Möglichkeit zum Telefonieren gab und
man nicht von den Gästen belauscht wurde. Im Landtmann wurde man gesehen und
sah. Wer dort vom Personal und den prominenten Gästen mit Namen und mit Titel
(so vorhanden) begrüßt wurde, der hatte es geschafft. Von Thomas Szabo nahmen
anno dazumal nur wenige Notiz. Immerhin, das Personal samt Faktotum Franz
wusste wenigstens, wer Thomas Szabo war. Dazu hatte ein gemeinsamer Besuch
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