Milliardengrab (German Edition)
mit
Eisenstein gereicht. Er bestellte sich einen Einspänner und bat um das Telefon.
Bereits nach dem zweiten Läuten meldete sich der Teilnehmer.
»Sind
Sie der Journalist, der die Sache mit der Stasi geschrieben hat?« Thomas
konstatierte immensen Druck, Stress und vielleicht sogar Angst in der Stimme
des Anrufers.
»Ja,
mit wem spreche ich?«
»Kann
ich Sie zurückrufen?«, jetzt war die Furcht des Anrufers zum Greifen nah und in
seiner Stimme lag ein Flehen. Thomas vergaß die punschgeschwängerte
Weihnachtsstimmung rundum. Hier war etwas Ungewöhnliches im Busch. Sein
Instinkt war alarmiert. Adrenalin schoss in die Venen. Die Volontärin von der Tagespresse,
samt romantischer Almhütte, war blitzartig aus dem Gedächtnis gelöscht. Er las
die Nummer vom Apparat ab und gab die Nummer durch.
»Es
ist ein Lokal. Verlangen Sie Thomas Szabo, ich bleibe hier stehen. Ok?«
»Danke
… es wird nicht länger als zehn Minuten dauern. Bitte warten Sie. Es ist
wirklich wichtig.«
Die
Gedanken im Kopf von Thomas wirbelten durcheinander. Was mochte das bedeuten?
Eine Falle? Eher nicht, aber vorsichtig würde er trotzdem sein … das MfS war
aufgelöst, aber einige dieser brisanten Kaliber schwirrten immer noch
ungehindert durch die Gegend. Außerdem waren die Zeiten rauer geworden. Es gab
keine Spielregeln. Wer brutaler und listiger war, der gewann in diesem Spiel
ohne Referee. Da konnte man rasch im Abseits landen. Und wie schnell ein Mensch
vom Leben zum Tode befördert werden konnte, das hatte Thomas live miterlebt. Es
dauerte nur fünf Minuten und das Telefon klingelte. Der Unbekannte rief zurück.
»Können
wir uns treffen, ich muss einige Zeit von der Bildfläche verschwinden. Sie sind
hinter mir her.«
»Wer?«
»Ich
befürchte die Stasi … die ehemalige Stasi meine ich.«
»Worum
geht es denn eigentlich?« Thomas vernahm ein gequältes Stöhnen.
»Ich
habe vor Jahren gezwungenermaßen für das MfS gearbeitet. Ich musste! Es gab
keinen anderen Weg. Dann habe ich nie mehr etwas von drüben gehört. Jahre
herrschte Funkstille. Die haben mich vergessen, da war ich mir ganz sicher.
Aber jetzt haben Sie sich wieder bei mir gemeldet.«
»Ich
verstehe. Wo wollen wir uns treffen? Am besten gleich irgendwo neben der
Autobahn.«
»Linz?
Das wäre der halbe Weg«, schlug der Anrufer vor. »Gut, ich kann in vier Stunden
dort sein. Wo?«
»Haben
Sie ein Handy?«
»Ja.«
»Kann
ich die Nummer haben?«
Thomas
überlegte. Der Mann kannte seinen Namen und hatte die Nummer der Redaktion, was
sollte die Handynummer dann noch für ein Risiko sein. Thomas gab dem Anrufer
seine Nummer.
Sein
Jeep stand in der Operngarage. Auf ein Taxi würde er bestimmt zehn Minuten
warten, also legte er einen Sprint hin, der sich gewaschen hatte. Noch in der
Garage ließ er den Tank volllaufen. Das riss ein ordentliches Loch ins Portemonnaie.
Erst
der zähe Weihnachtsverkehr, die ganze Wienzeile hinaus, und dann begann es am
Wienerwald zu schneien. Anfangs war es nur lockeres Schneetreiben. Dann kam es
Dicke. Dichter Schneefall und ab Amstetten Schneefahrbahn. Das Chaos war
perfekt. Dem Jeep konnte das nichts anhaben. Thomas war noch hundert Kilometer
von Linz entfernt, als sein Handy klingelte. Der Unbekannte.
»Es
schneit wie verrückt! Es wird zwar geräumt, trotzdem ist fast kein Weiterkommen
möglich. Die Fahrbahn ist schneeglatt, ich schaffe es nicht rechtzeitig.«
»Ich
weiß, hier ist das Wetter auch unter jeder Kanone. Hören Sie zu, bevor Sie zum
Abzweiger Linz kommen, ist rechts von Ihnen aus gesehen. Ein großes Motel mit
Tankstelle, Rosenberger, dort treffen wir uns, ok? Ich brauche noch etwa eine
Stunde. Ich trage Jeans, Stiefel und einen Norwegerpullover.«
Thomas
war jetzt froh, dass er seinen alten Panda gegen den Jeep eingetauscht hatte.
Eisenstein und sein Vater hatten zwar unisono erklärt, dass sich ausnahmslos
nur ein Geistesgestörter wie er sich so einen Benzinfresser aneignen konnte,
aber an einem Tag wie diesem leistete das schwere Fahrzeug wertvolle Dienste.
Und die 24-Zoll-Reifen zeigten jetzt auch, dass sie ihr Geld wert waren. Andere
schleuderten über die Fahrbahn, blieben einfach liegen oder parkten bereits im
Straßengraben. Diese Sorge hatte er nicht. Mit achtzig brummte der Jeep gleichmäßig
dahin, während die Scheibenwischer über die vereiste Schreibe kratzten. Mit
einer guten Stunde Verspätung erreichte er die Raststätte bei Linz. Der Tank
nahm inzwischen wieder fünfzig Liter auf. Kein
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