Milliardengrab (German Edition)
käme nach Stuttgart und wolle sich kurz mit mir treffen.«
Ich
hatte mir inzwischen zurechtgelegt, wie ich meine Leute über die Grenze bringen
würde und mich in allen möglichen Büchern und Zeitschriften schlau gemacht.
Dann las ich die Vita eines SS-lers, der nach dem Krieg mit selbst gestrickten
Papieren nach Argentinien geflüchtet ist. Dort konnte ich bis ins letzte Detail
lesen, wie man einen Pass frisiert.«
Hombach
schüttelte sprachlos den Kopf.
»Sie
glauben mir nicht?«
»Doch.
Ich wundere mich nur, wie saublöd Sie da reingerutscht sind und wie
leichtfertig man ihr Leben aufs Spiel gesetzt hat. Und das anderer Menschen
dazu. Es ist unglaublich! Was haben Sie sich denn dabei gedacht? Wenn Sie jetzt
nicht hier vor mir sitzen würden, dann hätte ich tatsächlich Schwierigkeiten
das zu glauben. Egal, fahren sie fort.«
»Was
ich gedacht habe? Ganz ehrlich, ich dachte ans Geld.«
Hombach
grinste und sagte:
»Das
glaube ich, denn sonst hätten Sie sich auf so ein riskantes Abenteuer nicht
eingelassen. Sie sehen ja, wie es geendet hat. Sagen sie, Jürgen« - Hombach
sagte tatsächlich Jürgen - »die Angst, hatten Sie denn keine Angst erwischt zu
werden?«
»Angst?
Hat ein Pyromane Angst vor dem Feuer?«, jetzt lachte er laut.
»Das
ist wirklich ein toller Vergleich. Alle Achtung! Wie ging es weiter?«
»Zwei
Monate später flog ich nach Berlin. Das Ticket hat er mir per Einschreiben
geschickt. Mit einem Auftrag und zehntausend in bar kam ich zurück. Genau einen
Monat später erledigte ich meine erste Fluchthilfe zur Zufriedenheit von Dr.
Ullrich und meines Schützlings. So hat es begonnen. Ehrlich!«
»Sagen
Sie, jetzt wirklich nur so unter uns: Sie dachten ans Geld. Akzeptiert. Aber
haben sie auch politische Gründe gehabt oder ideelle? So in der Richtung: Ich
helfe ja nur? Erforschen Sie ihr Gewissen, egal wie die Antwort ausfällt, die
hat sicher keinen Einfluss auf meine Entscheidung hinsichtlich ihrer Zukunft.
Es interessiert mich persönlich.«
»Ganz
ehrlich, es ging mir ausschließlich ums Geld. Politik oder so etwas in der
Richtung hat mich nie interessiert. Und die Leute, die ich rübergebracht habe,
die kannte ich ja nicht. Um es genau zu sagen, ich war froh, wenn ich wieder in
Sicherheit war und meine Kunden endlich los wurde. Sie können sich nicht
vorstellen, was ich mir da oft anhören musste!«
»Das
glaube ich Ihnen aufs Wort und neige dazu, auch den Rest zu glauben. Vielleicht
kann ich irgendwie helfen? Wie gesagt, kein Versprechen, aber ich denke doch.
Kann ich hier etwas für Sie tun?«
»Ein
Telefongespräch? In Ihrer Anwesenheit?«
»Unmöglich.«
»Ein
Brief?«
»Vielleicht
später. Aber möchten sie ein paar Bücher?«
»Ja,
daran habe ich nicht gedacht, danke, das wäre toll. Eine Frage?«
»Kommt
drauf an.«
»Wo
bin ich?«
»Im
Knast!«, er lachte und sagte nach einer kurzen Nachdenkpause: »Berlin.«
Geahnt
hatte ich es - jetzt wusste ich es. Fünf Minuten später war ich in meiner
Zelle. Eine halbe Stunde später bekam ich acht Bücher. Krimis und Romane, nicht
zu vergessen auch: Die Welt des Sozialismus.
Es
war das erste Mal, dass ein Läufer oder Schließer mich direkt ansprach:
»Mit
den besten Grüßen von Herrn Hombach«.
Meine
Depressionen waren verflogen. Ja, ich war versucht, ein Liedchen zu summen.
Wochen
vergingen, meine Euphorie löste sich auf wie eine Salzsäule im Wasser. Die Depression
kam mit unvorstellbarer Heftigkeit zurück. Die acht Bücher hatte ich samt und
sonders vier Mal gelesen. Sogar die Welt des Sozialismus führte ich mir zu
Gemüte. Weder mein Vernehmer noch Hombach meldeten sich. So oft es mir gelang
flüchtete ich in eine Traumwelt - schlafend und auch wach. Ein Häftling träumt
Tag und Nacht: Ein Hubschrauber kommt, lässt eine Strickleiter herunter und
holt mich so raus, die Bundesregierung interveniert, und kauft mich frei. Hunderttausend
soll das pro Häftling kosten, ich sah die Knete sogar vor mir in der Zelle
liegen. Der Krieg bricht aus und amerikanische GIs holen mich aus der Zelle.
Die Bomber fielen, ich hörte es – allerdings war es ein Gewitter. Das
aufregendste war sicher Erich Honeckers Staatsbegräbnis und die darauf folgende
Generalamnestie. Leider waren es nur Träume. In der (Tag-) Traumwelt des
Häftlings ist alles möglich - nur geschieht nichts von alldem.
Ob
ich mir das einbildete oder ob es tatsächlich so war, ich kann es nicht mit
Sicherheit sagen. Doch es kam mir vor, als ob die Schließer
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