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Milliardengrab (German Edition)

Milliardengrab (German Edition)

Titel: Milliardengrab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Strassegger
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besser, die Depression blieb.
    Es
vergingen Wochen, in denen keine Menschenseele ein Wort mit mir sprach. Nicht
einmal ein Insekt hatte sich in meine triste Behausung verirrt. Ich erlitt
mehrere stundenlange Heulkrämpfe. Dann schepperte der Schlüsselbund des
Schließers und die Tür meiner Zelle ging auf.
    Wer
mochte es sein? Der Vernehmer? Besuch? So ein Blödsinn! Wer würde mich
besuchen? Niemand. Und kein Mensch wusste vermutlich, dass ich im Gefängnis war
und erst recht nicht wo. Schließlich konnte ich das, wo selbst nicht
beantworten. Nein. Es konnte nur der Vernehmer sein.
    Ich
wusste genau, wo das Büro des Vernehmers war. Wir waren soeben daran
vorbeigegangen. Ich wagte nicht, den Läufer darauf aufmerksam zu machen. Auch
eine Vernehmung kann eine willkommene Abwechslung sein - insbesondere, wenn man
wochenlang mit keiner Menschenseele gesprochen hat. Jetzt blieb der Läufer
stehen und ich, wie ein Automat, selbstverständlich auch. Der Schließer öffnete
die Tür und führte mich in den Raum. Er glich dem meines Vernehmers bis ins
letzte Detail - Kalender gab es auch hier keinen.
    »Warten
Sie hier, Hundertzwo.«, herrschte er mich an. Der Läufer verließ das Büro und
schloss die Tür hinter sich. Ich war allein. Eine relativ normale Umgebung -
keine Glasbausteine, bloß Gitter. Ein Flügel des Fensters stand offen - ich
konnte so die Geräusche von draußen hören. Es war wie eine Erlösung, wie
wunderbar einschmeichelnde Musik. Allerdings lärmte im Hof bloß eine Mischmaschine,
aber es war ein Geräusch. Ein Mann rief einem anderen etwas zu. Ich konnte es
nicht verstehen - aber es war normaler Alltag, es gab ihn noch. Nur ich konnte
daran nicht teilhaben. Ein paar Minuten mithören, das durfte ich jetzt. Der
lange Schreibtisch, dieselbe Schreibtischlampe, die dünne Akte. Schnell stand
ich auf und warf einen Blick auf den braunen Deckel. Nichts. Kein Name, keine Nummer.
    An
dem Schreibtisch in T-Form standen ein langer, etwas niedriger Tisch und zwei
Stühle. Hinter der Tür ein Hocker - für mich. Schnell setzte ich mich drauf.
Die vorderen Beine waren nicht abgeschnitten, meinem Rücken stand also keine
schmerzhafte Zeit bevor. Ein Umstand, der mich beruhigte.
    Jetzt
konnte ich hören, wie sich auf dem Korridor zwei Personen unterhielten, ich
konnte nicht verstehen worüber. Sofort stand ich auf, schließlich hatte mir
niemand erlaubt, mich zu setzen. Es dauerte ein paar Minuten, dann verstummte
das Gespräch und ein Mann, etwa um die fünfunddreißig, groß und schlaksig, trat
ein. Jeans, Pullover, abgewetzte Lederjacke, Adidas Turnschuhe und Schnauzer.
Helle graublaue Augen saßen über einer etwas zu langen Nase.
    »Tag,
Hombach, Volker Hombach«, stellte er sich vor und gab mir die Hand.
    Ich
war verdattert, reagierte nicht, stand einfach reglos wie eine in Eisen
gegossene Statue vor Hombach. Ich habe keine Ahnung, wie lange er mit der
ausgestreckten Rechten vor mir stand, bis ich mich aus meiner Erstarrung löste
und die dargebotene Rechte ergriff. »Nehmen Sie bitte Platz, Herr Watzke«,
forderte er mich auf. Ich wollte mich folgsam auf den Schemel hinter der Tür
setzen. Watzke, bitte und Herr, und das alles in einem Satz - ich konnte nicht
glauben, was ich da vernahm. Und dann auch noch: »Setzen Sie sich doch an den
Tisch … da redet es sich besser.« Der Stuhl mit Armlehne, Marke VEB Sitz- und
Schlafmöbel war gepolstert! Ich war, gelinde ausgedrückt, fassungslos. Man
behandelte mich wie einen Menschen.
     »So,
nun wollen wir einmal sehen, wie wir aus der Scheiße, in die Sie sich da
hineingeritten haben, das Beste machen können. Erzählen Sie von sich. Kindheit,
Jugend. Ich muss wissen, mit wem ich es zu tun habe, erst dann kann ich entscheiden,
ob es einen Ausweg für Sie gibt. Da ist nur eine Bedingung: Lügen Sie mich
nicht an, dann stehe ich auf und wir sehen uns nie wieder. Ansonsten können und
müssen Sie mir alles sagen. Klar? Kein Geheimnis darf zwischen uns stehen! Wenn
wir keine wechselseitige Vertrauensbasis haben, dann können wir alles
vergessen.«
    Was
zu vergessen war und wie ein Häftling Vertrauen schafft, darüber schwieg sich
der Menschenfreund Hombach aus. Wie stellte er sich das vor? Ich im Knast und
er draußen? Oder war der Kerl übergeschnappt? Nein, sonst würde er mir hier
nicht gegenübersitzen. Da musste etwas dran sein - hoffentlich!
    »Ich
weiß nicht so recht … wie soll ich anfangen … was interessiert Sie?«
    »Erzählen
Sie einfach, Kindheit

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