Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
ist Stress“, sagt sie.
„Warum machst du nicht die Hälfte beim Putzen schwarz?“
„Ist mir zu gefährlich. Und geht ums Prinzip, außerdem habe ich Aufträge genug. Ich kann gut rechnen, ich habe Ausgaben, also darf ich auch Einnahmen haben und zahle trotzdem wenig Steuer. Mit Glück gar keine. Nervt, dass sie immer glauben, eine aus Bosnien, die muss am Gesetz vorbei.“
„Und was ist mit der Hinterhof-Detektei?“
„Ist nicht Hinterhof, sieh dich um, ist ordentliches Büro. Was kann ich gegen idiotische Detektivvorschriften? Sonst ich würde auch das legal machen. Jeder darf nachschauen, oder? Habe ich auch früher gemacht.“
Wieder läutet ein Telefon. In diesem Fall hört Vesna in erster Linie zu, sagt nur zwischendurch einige Worte auf Bosnisch.
Das Büro sieht tatsächlich mehr als ordentlich aus, in ihren Jahren als Putzfrau hat Vesna wohl genug Erfahrung gesammelt, um zu wissen, was ein gutes Büro braucht: ein großes Fenster, auch wenn es bloß auf die schmale Seitenstraße hinausgeht. Einen großen Schreibtisch aus Holz, nicht kaltes Glas, neben dem man sich selbst wie ein Fremdkörper fühlt. Einen bequemen Bürosessel und einen nicht ganz so bequemen Sessel auf der anderen Seite des Schreibtisches. Eine kleine Sitzecke, wenn es informeller werden soll. Verschließbare Regale. Ich muss grinsen. Ein offenes Regal in einer Wiener Detektei hat uns vor einiger Zeit zu einem wichtigen Hinweis verholfen. Einige freundliche Bilder, Vesna liebt Mirò und hat Poster hinter Glas aufgehängt. Meist bunt und immer auf das Wesentliche reduziert, das gefällt ihr, sagt sie. Ein Teppich, der gediegen wirkt und das Geschenk eines langjährigen Putz-Kunden, des netten Notars, ist. Computer mit Internet-Anschluss. Und eben die zwei Telefone.
Vesna legt wieder auf. „Geht nicht immer so zu. Habe mit Cousine verhandeln müssen. Sie will putzen, aber sie hat alte Frau zu pflegen und das ist alles schwieriges Management.“
„Was ist mit deiner Tochter?“
Vesna wird von der toughen Geschäftsfrau zur besorgten Mutter. Plötzlich glaubt man ihr, dass sie nächstes Jahr 50 wird.
„Jana macht viel Ärger“, sagt sie, nachdem sie das blaue Telefon für die Putzaufträge hin- und hergeschoben hat. „Du weißt ja: Zwillinge waren in der Schule immer sehr gut, die Besten. Und dann bei der Matura: Fran war wie immer Spitzenklasse, aber Jana war schon in den letzten Monaten schlecht. Hat sie schlechten Umgang.“
„Warum hast du nicht davon erzählt? Ein Freund? Ein Mann?“
„Ist schlimmer: Mädchen. Ist sie bei einer Mädchenbande.“
Ich lächle: „Was tun sie? Shoppen?“
„Ist richtige Gang. Sie sind hinter Männern her.“
„Was?“
„Nicht so, ganz im Gegenteil. Dumme Mädchen haben sich in den Kopf gesetzt, sie müssen Frauen rächen und Sache in eigene Hand nehmen. Sie kämpfen gegen konservative Moslemmänner, Türken und Bosnier und alle, die Frauen Vorschriften machen. Wenn sie erfahren, dass so ein Mann seine Frau schlagt, dann schreiben sie es an das Haus oder an sein Auto. Sie glauben nicht, dass Polizei hilft. Wenn jemand Tochter zwingt zu Hochzeit, dann versuchen sie, Tochter zu entführen, und schreiben das auch überall hin.“
„Ist doch nicht so übel, oder?“
„Nicht so übel? Weißt du, wie gefährlich? Diese Türken sind keine, mit denen du spaßen brauchst. Sie haben zwei von den Mädchen verprügelt. Und sie holen sofort Polizei wegen Sachbeschädigung. Alles andere streiten sie ab.“
„Da werden nicht nur Türken so sein.“
„Nein, das meine ich nicht. Gibt es auch bei Bosniern Miese. Wie bei Österreichern. Ich finde, das geht meine Tochter nichts an. Sie soll lernen. Basta.“
„Und wenn du ihr klar machst, dass sie sich an die Gesetze halten sollen?“
„Dann lacht sie und sagt, so ändert sich nie was.“
Ich schaue Vesna so liebevoll wie möglich an: „Kann es sein, dass dir deine Tochter sehr ähnlich ist?“
Vesna starrt auf den Schreibtisch. „Kann schon sein. Aber ich habe Erfahrung. Du musst ihr ins Gewissen reden. Auf dich hört sie.“
„Ich weiß nicht …“
„Ich habe sie herbestellt. Sie muss in ihrem Zimmer warten. Ich bringe sie.“ Das klingt wieder nach der alten resoluten Vesna.
Jana sieht nicht gerade aus wie eine arme Sünderin. Eher schon wie die Rächerin der Entrechteten. Blitzende schwarze Augen, enge Jeans, ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Woman at Work!“ Sie ist 18 und nicht größer als Vesna, aber deutlich
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