Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
fragt Frau Liebig, als wäre sie im Gastgewerbe. Aber ich darf nicht ungerecht sein, was muss wohl eine Mutter empfinden, deren Sohn vor Kurzem versucht hat sich das Leben zu nehmen?
„Kaffee bitte“, lächle ich.
„Nehmen Sie Platz“, sagt Klaus Liebig, und mit einem Mal ist mir klar, dass er mindestens 30 ist.
Die Polstermöbel geben wenig nach, man sitzt gut und fest, und ich krame in meiner Tasche mit dem vielen Zeug nach meinem Aufnahmegerät. Ich stelle es auf, drücke die Aufnahmetaste. Ich frage: „Wie wollen wir anfangen? Was wollen Sie mir erzählen?“
Klaus Liebig sieht mich ernst an. „Ich dachte, Sie stellen Fragen …“
Ich nicke. Mir fällt nichts ein. Ich räuspere mich und sage: „Fangen wir mit der Biografie an, so etwas brauche ich immer zur Abrundung. Erzählen Sie: Wann sind Sie geboren? Was haben Sie für Schulen besucht? Was arbeiten Sie?“
„Ist das nicht egal?“
„Nein.“
Er stellt die Beine eng nebeneinander und beginnt mit leiser, ausdrucksloser Stimme, so als rede er über jemand anderen. „Ich bin 31 Jahre alt. Ich bin hier geboren und habe hier das Gymnasium besucht. Im Anschluss daran habe ich begonnen Medizin zu studieren. Ich wollte den Menschen helfen. Aber während des Studiums ist mir immer klarer geworden, dass das mit unserer Medizin nicht geht. Dass das gar nicht das Ziel der Sache ist. Es geht darum, einen großen Apparat am Laufen zu halten, und alle, die unbequeme Fragen stellen, sind ganz rasch weg. Ich habe nicht ins System gepasst, das habe ich dann eingesehen und auch, dass ich nicht dazugehören will. Danach …“
„Wie lange haben Sie studiert?“
„So zirka sechs Jahre.“
„Und Bundesheer?“
„Man hat mich befreit, es ist mir peinlich, darüber zu reden. Es ging um meine Spreizfüße und ich war in einem Jahrgang, wo sie ohnehin zu viele Leute hatten.“
„Sie wollten zum Bundesheer und nicht zum Zivildienst?“
„Der dauert viel länger, wissen Sie, und die Arbeit dort …“
„… hätte doch eine sein können, bei der Sie Menschen helfen.“
„In einem Altersheim oder so … Ich weiß nicht, ob ich das kann.“
„Und danach?“
„Danach … habe ich kurz als Versicherungsvertreter gearbeitet. Mein Vater hat mich dazu gezwungen, ich hab von Anfang an gewusst, dass das nichts für mich ist. Es ist nur einige Monate gut gegangen, dann hat man mir nahegelegt, es anderswo zu versuchen.“
„Und jetzt?“
„Jetzt … Damals habe ich schon begonnen, mich auf das MillionenKochen vorzubereiten. Da gibt es diese Internetforen, wo man als Training jede Menge Fragen beantworten kann, und es gibt Internetkurse, da wird einem gesagt, wie man kochen soll, was man vermeiden soll, wie man vor der Kamera punktet. Ich hab auch Kameratrainings in einem Kommunikationscenter gemacht. Ich arbeite bei einer Eventagentur, als freier Mitarbeiter, man bekommt keine richtige Anstellung mehr. Sie schicken mich mit ein paar anderen zur Vorbereitung von Events und Feiern. Man muss Säle checken, Leinwände aufbauen, Caterer dirigieren, Ablaufpläne durchgehen. Die Stabsarbeit machen die drei Betreiber der Firma, wir machen die Drecksarbeit vor Ort.“
Klingt wenig begeistert.
„Ist doch spannend, immer wieder neue Leute zu treffen.“
„Ich weiß nicht. Die meisten bilden sich ein, nur weil sie für die Eventagentur zahlen, können sie alles verlangen.“
Seine Mutter kommt mit dem Kaffee für mich, Keksen und zwei Gläsern Wasser.
„Keinen Kaffee?“, fragt Klaus missmutig.
„Der tut dir nicht gut, du weißt“, antwortet sie und will sich setzen.
Ich habe keine Lust, sie als Dritte mit dabei zu haben, und will schon etwas sagen, als Klaus meint: „Mutter, ich möchte mit Frau Valensky allein reden.“
„Aber …“
„Ich werde ihn nicht aufregen“, beruhige ich sie.
Klaus lächelt mit einem harten Zug um den Mund. „Was mich wirklich aufregt, weißt du, Mutter.“
Sie springt nahezu auf und geht.
„Was hat Sie dazu gebracht, bei MillionenKochen mitzutun?“
„Ich habe immer schon gerne gekocht. Ich habe Talent dafür. Auch für das Klavierspielen, aber ich war nicht gut genug, um es zu studieren. Das hatte ich überlegt. War so ein lächerlicher Traum von mir.“
„Haben Sie es versucht?“
„Mein Vater hat mir klargemacht, dass das zu nichts führt. Was könnte ich maximal werden? Pianist. Und dass ich es unter die wenigen großen Solisten schaffen würde, war doch eher ausgeschlossen. Ich bin ihm dankbar
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