Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
improvisierte Pressekonferenz statt. Jetzt weiß ich auch, wo Leo Pauer hingeeilt ist. Er steht neben einem gut aussehenden Mann Mitte fünfzig und einem deutlich jüngeren in hellem Leinenanzug, ich habe ihn auf dem Fest kurz gesehen, er ist der Direktor von Win-Sat. Alles fest in Männerhand. Vor ihnen Kameras, Fotografen, Journalistinnen, Journalisten.
Der Direktor des Senders winkt und bittet um Aufmerksamkeit. „Wir sind“, beginnt er und räuspert sich, „natürlich entsetzt über den Tod von Susanne Kraus. Was wir tun können, um die Behörden bei der Aufklärung zu unterstützen, werden wir tun.“
„Gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen dem Mord und MillionenKochen?“, fragt ein TV-Reporter. Sein Tontechniker zielt mit dem langen Mikro direkt auf den Direktor.
„Wer sagt, dass es Mord war? Wir wissen von keinen Zusammenhängen zwischen dem tragischen Todesfall und unserem Programm.“
Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und rufe nach vorne: „Wann war Susanne Kraus zum letzten Mal in den Studios?“
Viele sehen mich erstaunt an. Sie haben die Kandidatin gestern wohl auch im Fernsehen gesehen.
Der Ältere antwortet. „Gestern Abend natürlich. Wir haben uns erkundigt, sie ist mit dem Produktionsteam kurz vor 23 Uhr außer Haus gegangen. Ihr Auto stand auf dem Parkplatz, sie ist alleine weggefahren.“
Für eine Lüge klingt das zu detailliert. Vielleicht müssen die Kandidaten, während ihre Sendung läuft, im Studio sein.
„Wie lange war Bert Seinitz hier?“
„Er hat unmittelbar nach der Show unser Gelände verlassen, aber das ist ja auch kein Wunder.“
„Herr Freytag, wird die für heute geplante Sendung ausgestrahlt?“, will eine Reporterin wissen.
Ah, der Ältere im Trio ist also wohl der Produzent und Miteigentümer Valentin Freytag.
Die drei Männer sehen einander an. Offenbar ist man noch nicht dazu gekommen, sich darüber Gedanken zu machen. Die Sendung der beiden Runde-3-Kandidatinnen ist ja schon aufgezeichnet.
„Wir haben keinen Grund, an unserem Konzept etwas zu ändern“, sagt der Senderchef dann. „Es ist kaum vorstellbar, dass der Tod von Susanne Kraus im Zusammenhang mit unserer Spielshow steht.“
Mein Mobiltelefon. Ich eile weg von den aufgeregten Fragen und betont ruhigen Antworten.
„Ja?“
„Hier ist noch einmal Klaus Liebig.“
„Wie geht es Ihnen?“
„Lassen Sie sich nicht von meiner Mutter beeinflussen. Sie meint es nur gut, aber das ist nicht immer gut. Ich weiß, was ich möchte: Ich möchte noch einmal in die Show. Ich will noch einmal dabei sein. Ich muss mein Trauma überwinden und das geht am einfachsten, wenn ich eine neue Chance bekomme. Ich will noch einmal antreten.“
„Wie sollte der Sender das erklären?“
„Ich … könnte ja noch einmal ein Trefferlos gekauf haben. Oder – es macht mir auch gar nichts aus, wenn Sie meinen Selbstmordversuch öffentlich machen, ich stehe dazu und ich will jetzt eine zweite Chance.“
„Und wenn Sie wieder ausscheiden?“
„Dann kann ich damit umgehen.“
„Wer sagt das?“
„Das sage ich. Und mein Psychotherapeut. Ich muss mich der Lage stellen. Können Sie das für mich einfädeln?“
„Ich? Wie soll ich das machen? Ich kenne die Leute vom Sender kaum, ganz abgesehen davon, dass sie mich als Journalistin wohl nicht zu nah heranlassen wollen.“
„Aber Ihnen vertraue ich!“ Er schluchzt es fast.
„Ich kann nichts versprechen. Was wissen Sie über Susanne Kraus?“
„Ich? So gut wie nichts. Sie ist mir ein paarmal begegnet, war eher von oben herab, eine, die geglaubt hat, dass sie genau weiß, wie es geht. Hat ja auch so ausgesehen.“
„Hatte sie mit irgendjemand im Sender besondere Auseinandersetzungen?“
„Mit Bert Seinitz. Es war schon vor zwei Wochen klar, wenn sie jeweils die 3. und 4. Runde gewinnen, werden sie gegeneinander antreten. Seinitz wollte, dass sie ausgeschlossen wird. Sie hat offenbar an einem Kochbuch mitgeschrieben, er hat gemeint, damit sei sie ein Profi, und Profis dürfen nicht teilnehmen.“
„Wie hat sie reagiert?“
„Sie war wütend. Die Sendeleitung hat aber gleich gesagt, an einem Kochbuch mitzuschreiben sei kein Hinderungsgrund. Reden Sie mit dem Produzenten?“
„Ich kann nichts versprechen.“
„Ich vertraue Ihnen! Ich melde mich wieder. Danke!“
Na super.
Die improvisierte Pressekonferenz ist inzwischen vorbei, einige Journalisten halten Leo Pauer und den Senderchef noch mit weiteren Fragen auf, der Produzent aber
Weitere Kostenlose Bücher