Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
das eigentlich Unsinn ist. Besser, solange es noch geht, auf eigene Faust nachzusehen. Zum Glück weiß ich seit dem Sommerfest, wo die Chefbüros sind. Und ich weiß, in welcher Halle MillionenKochen gedreht wird. Ich biege ab und steuere auf die MillionenKochen-Halle zu. Rechtzeitig denke ich daran, dass heute das Foyer besetzt sein wird, gibt es Seiteneingänge? Ich gehe an einigen Autos vorbei, die Halle entlang. An der Rückseite ein Tor, einige Männer entladen Kisten. Ihr Lkw trägt die Aufschrift „Light & More“, also offenbar Scheinwerfer. Ich bleibe eng an den Büschen, hoffe darauf, dass sich die Aufmerksamkeit und die Aufregung auf Halle 1 mit den Büros der Verantwortlichen und der Kantine konzentrieren.
Zwei der Männer sind jetzt in der Halle. Zwei andere sind zum Führerhaus gegangen und haben sich eine Zigarette angesteckt. Ihr Lkw steht so, dass sie mich erst die letzten paar Meter vor dem Eingangstor sehen können. Ich wünschte, Vesna wäre da. Ich schleiche mich näher heran, die beiden reden über ein Formel-1-Rennen, ich verstehe „Alonso“ und „Hamilton“ und „Regen“ und „idiotischer Boxenstopp“. Es gibt also noch etwas anderes als MillionenKochen. Am rückwärtigen Ende des Lkw hole ich tief Luft und gehe dann zielstrebig ins Innere der Halle. Niemand hat mich aufgehalten. Mein Herz rast. In diesem Seitengang war ich beim letzten Mal nicht. Wo sind die Aufnahmestudios? Was will ich da überhaupt?
Vielleicht ist Bert Seinitz da. Nein, der hat doch verloren. Und das Ganze war seit Tagen aufgezeichnet. Wenn er also seine Konkurrentin aus Rache hätte umbringen wollen, er hätte es vorher tun können. Nein. Denn dass er verloren hat, weiß er erst seit gestern Abend. Und warum sollte er sie umbringen? Nicht bei allen gehen die Emotionen so hoch wie bei Klaus Liebig. Hoffe ich.
Ich habe nicht aufgepasst.
„Was suchen Sie hier?“, ruft mir ein junger Mann mit einem Clipboard unter dem Arm entgegen.
„Ich bin von ‚Light & More‘ und checke, ob alles richtig ausgeladen wird. Das Zeug ist teuer!“, erwidere ich so gelassen wie möglich.
„Da sind Sie aber falsch, Studio 2 ist dort drüben.“
„Oh, danke!“ Ich wechsle schnell meine Richtung und eile zum Studio 2, gehe hinein, sehe mich um. Die beiden Männer montieren einen Studioscheinwerfer, sonst ist niemand zu sehen. Ich drehe wieder um, gehe einen schmalen Gang entlang. Jetzt weiß ich es: In diesem Gang sind die Garderoben. Plötzlich Stimmen. Ich werde langsamer. Wenn jemand kommt, habe ich Pech. Hier gibt es nichts außer Wänden und Szenenfotos. Ich erkenne die eine Stimme. Lena Sanders.
„Ich mache das nicht! Dazu kann mich keiner zwingen!“ Sie sagt es laut und um eine halbe Oktave höher, als sie üblicherweise spricht, fast glaube ich, gleich wird sie ein dramatisches hohes C schmettern.
„Es steht im Vertrag“, antwortet ein Mann, „du musst ja nicht alleine kochen. Du hast deine beiden Assistenten.“
„Ich kann nicht! Man wird mich ausfragen!“
„Du weißt doch nichts, oder?“
„Natürlich nicht! Aber was soll ich sagen? Ich bin Sängerin, ich stehe das nicht durch, ich will nicht ausgestellt werden wie ein Tier.“
„Jetzt übertreib mal nicht. Es ist eine Charity und sie werden dir zu Füßen liegen, wie immer. Wir sind es doch, die den ganzen Mist auszubaden haben. Du brauchst nicht einmal zu dieser beschissenen …“
„Ich kann das nicht.“
„Wenn du das nicht kannst, dann wird es jemand anderes machen. Haben wir uns verstanden? So toll sind deine Beliebtheitswerte auch wieder nicht. Und wenn die Leute wüssten …“
„Waaaas wüssten?“, schreit sie.
„Hör auf, die Diva zu spielen! Das wirkt bei mir nicht!“
Die Tür geht auf, ich drücke mich an die Mauer und habe unverschämtes Glück. Der Mann stürmt in die andere Richtung davon. Es ist Leo Pauer. Sieh an.
Ich überlege kurz, ob ich bei Lena Sanders sofort nachhaken soll, aber es ist wohl vorerst besser, wenn niemand weiß, was ich gehört habe.
Ich warte, bis der Win-Millionen-Manager verschwunden ist, eile dann den Gang entlang nach draußen. Mal sehen, was sich in Halle 1 tut.
Inzwischen haben sich auf dem Parkplatz mehr Autos eingefunden, zwei weitere TV-Übertragungswagen sind auch gekommen. Wenn die Konkurrenz Probleme hat, ist das allemal einen Bericht wert.
Im Foyer der Halle 1 – es sieht exakt so aus wie das in der MillionenKochen-Halle, nur dass der Boden knallrot ist – findet eine
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