Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
in den Parkplatz ein. Da ist niemand. Du bist allein, Mira. Ganz allein. Allein. Ich stelle das Auto ab. Ich mache mit zitternden Fingern den Gurt auf, habe Angst, auszusteigen. Taste nach meinem Telefon. Oskar. Durchatmen. Eine Minute durchatmen. Willst du ihn in Panik versetzen? Ich atme. Die Lunge scheint zu funktionieren. Die ist es auch nicht. Es ist das Herz. Es scheint zu schlagen. Regelmäßig? Wen kümmert’s, es schlägt. Beruhige dich, Mira, du hast überlebt. Du warst unaufmerksam. Du hast Glück gehabt. Zu viel Blut im Kopf, daher diese Übelkeit. Und dieser Schwindel. Meine Notfalltasche. Ich greife auf die Rückbank. Alles dreht sich. Du hast überlebt, der Lkw hätte dich zerquetscht. Ich öffne die Tasche, fingere nach einem kühlen, beruhigenden Gegenstand: dem Fläschchen. Ich nehme es heraus, schraube es auf. Ich muss aufschreiben, was ich mir überlegt habe. Meine Theorie. Alles passt zusammen. Ein Wohnwagen parkt sich hinter mir ein. Holländisches Kennzeichen. Ich nehme einen riesigen Schluck Whiskey, verschlucke mich, muss husten. Ich bin am Leben. Und ich ahne etwas. Das zumindest.
Es dauert eine halbe Stunde, bis ich das Gefühl habe, weiterfahren zu können. Den Außenspiegel biege ich mit einiger Anstrengung wieder in seine ursprüngliche Position, wie lange er halten wird, werde ich sehen. Ich fahre vorsichtig aus der Parkspur, rolle auf die Autobahn zu. Jedes Auto scheint mir schnell, unkontrolliert und unkontrollierbar, ich hole tief Luft und reihe mich ein. Ich fahre langsam und meine Knie zittern immer noch, aber Kilometer für Kilometer gewinne ich etwas von meiner alten Sicherheit zurück.
Bei Salzburg tanke ich, nach Essen ist mir noch immer nicht. Wenn Susanne Kraus wirklich hinter einer Aufdeckungsstory her war, dann gibt es neue Verdächtige: Lena Sanders, die nicht kochen kann. Anna-Maria Bischof, deren sündteures Hotelrestaurant keinen Imageschaden brauchen kann. Jemand aus dem Sender, der Susanne Kraus nicht anders stoppen konnte. Was ist mit Bert Seinitz? Hat man ihm die zerbrochenen Thermometer tatsächlich untergeschoben? Er hatte Streit mit seiner Konkurrentin. Was hat er gesagt? Sie hat ihn ausgefragt. Das würde passen. Ich sollte umdrehen und sofort mit Droch reden. Wenn meine Vermutung stimmt, kann das „Magazin“ in einen handfesten Skandal schlittern. Eine Wochenzeitung, die für eine gute Story über Leichen geht. Ein Schritt nach dem anderen, Mira. Das alles ist bisher bloß eine Theorie. Aber sie passt mit dem zusammen, was wir recherchiert haben.
Das Luxusanwesen der Bischofs ist nur noch 170 Kilometer entfernt. Ich habe nachgesehen: Das nächste MillionenKochen mit Anna-Maria Bischof ist erst in zwei Tagen. Sie sollte also da sein. Ich werde sie fragen, wie es dem Kochbuch geht, wo doch ihre Ghostwriterin tot ist.
Ich sollte Oskar anrufen. Er hat sicher nichts dagegen, wenn Gismo noch eine Nacht bei ihm bleibt. Doch ich trau mich nicht, während des Fahrens zu telefonieren. Auch das wird sich wieder ändern.
Das Dorf in den Tiroler Bergen wirkt so idyllisch, dass ich automatisch an Kulissen denke. Mir ist das hier alles zu sauber, zu blau der Himmel, zu schroff die Felsen rundum. Ich warte auf eine Abordnung in Tracht, die einen Jodler anstimmt, aber ich sehe nur eine ältere Frau in braunen Hosen mit einer Einkaufstasche. Ich will sie schon nach dem „Margarita“ fragen, als ich eine imposante Hinweistafel in Grün und Gold entdecke. Ich passiere das Dorf, danach geht es links eine gewundene Straße hinauf, auch sie wirkt neu, und oben, auf dem Hang, steht die Nobelherberge. Nicht groß, nicht einmal eindrucksvoll. Aber je näher man kommt, desto mehr wird einem klar, dass hier das Geld zu Hause ist – oder dass es hierher zumindest auf Besuch kommt. Auf dem Parkplatz fast ausschließlich Autos jenseits der 60.000-Euro-Grenze. Hinter dem Parkplatz der Hubschrauberlandeplatz, von dem ich bereits gelesen habe. Zwei abgestellte Hubschrauber. Ich stelle meinen kleinen ramponierten Fiat neben einen Jaguar, checke mein Mobiltelefon und sehe, dass ich eine SMS bekommen habe.
Vesna. „Anna-Maria Bischof Kochbuch bei Gourmet-Verlag soll Herbst kommen.“ Ich rufe Vesna an, erreiche sie aber nicht. Ich steige aus und gehe langsam auf den Eingang zu. Weiter unten ist noch ein Parkplatz, die Autos dort sind nicht so teuer. Wohl die vom Personal. Und zwei Lieferwagen.
Im Foyer von Hotel und Restaurant ein matt geschliffener Marmorboden, auf dem ein riesiger
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