Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
war dabei, als die Beamten alles durchsucht haben. Einer muss ja mit dabei sein.“
„Was notiert?“
„Namen von anderen Kandidaten, Gerichte, Abläufe, solche Sachen.“
Gehört wohl zu einer gründlichen Vorbereitung mit dazu.
„Ja dann …“, sage ich. „Hat sie Ihnen über MillionenKochen erzählt?“
„Warum?“
Jetzt spüre ich jedenfalls Misstrauen. Zeit, dass ich verschwinde.
Drei Minuten später sitze ich in meinem Auto und blättere in den Rezepten. Zu viel Trüffel, zu viel Gänseleber, die „einfache“ Küche der Sterneköchinnen. Man nehme ein international anerkanntes, sauteures Spitzenprodukt, und ein feines Gericht ist garantiert. Ich liebe Trüffel. Mir schmeckt auch Gänseleber, aber beim Gedanken an festgebundene Gänse, die wie Industriegüter gehalten und täglich ein paarmal mit übermäßiger Nahrungszufuhr gefoltert werden, vergeht mir der Appetit. Und außerdem: Wo bleibt die Fantasie beim Kochen? Ein einfaches Produkt spannend zu verarbeiten, das ist Kunst. Okay, da ist ein Rezept für gefüllte Zucchiniblüten auf Paradeiser-Chili-Sauce, das klingt schon besser. Wahrscheinlich bin ich auch überkritisch. Allerdings: So gut scheint die wahrscheinliche Ghostwriterin auch nicht gewesen zu sein, die Mengenangaben sind absurd. 0676 Gramm faschierter Seeteufel, 46 Milliliter Olivenöl, 644 Gramm Fleischparadeiser, 40 Gramm Zwiebel. Ich stutze. Irgendetwas kommt mir bekannt vor. 0676-46-644-40. Eine Telefonnummer. Sie ist keinem der Ermittler aufgefallen, wer kümmert sich schon um die Mengenangaben in einem Rezept? Mir wird heiß. Ich habe kein gutes Nummerngedächtnis, aber diese Nummer kenne ich. Es ist die unseres Chefredakteurs. Ich hab mir vor gar nicht allzu langer Zeit den Mund darüber zerrissen, wie er wohl zu einer so hübschen Nummer gekommen ist. Susanne Kraus war also mit unserem Chefredakteur in Kontakt. Und sie hat Wert darauf gelegt, dass das nicht jeder weiß. Ich wähle. Nach dem dritten Freizeichen wird mir mitgeteilt, dass der Teilnehmer zur Zeit nicht erreichbar ist. Was wollte Susanne Kraus über Anna-Maria Bischof erzählen? Oder ist es bloß ein Zufall, dass die Nummer in diesem Kochbuchmanuskript steht? Zum Glück habe ich im Auto immer eine Notfalltasche: Ersatzunterwäsche, T-Shirt. Mir ist nach Wellness in Tirol.
Vesna erreiche ich, als ich auf der Autobahn den Wienerwald passiere. Sie verspricht zu recherchieren, was mit dem Kochbuch von Franz Josef Mittermayer war. Und ob Susanne Kraus tatsächlich an einem Kochbuch für Anna-Maria Bischof gearbeitet hat. Und wo es hätte erscheinen sollen. Vielleicht ist das auch ihre Verbindung zu MillionenKochen. Sie arbeitet als Ghostwriterin für die Spitzenköchin und die schleust sie dafür in die Sendung ein.
Schade, dass die Spurensicherung ihre Aufzeichnungen über MillionenKochen mitgenommen hat.
„Vielleicht hat sie jemanden erpresst, um zu gewinnen“, überlegt Vesna.
„Aber was macht das für einen Sinn, wenn das Publikum per SMS entscheidet?“, frage ich.
„Vielleicht hat sie Fragen gewusst?“
„Da gibt es angeblich einen Zufallsgenerator. Es müssten zu viele Leute mitspielen, um das zu manipulieren.“
„Ich werde Sache nachgehen“, meint Vesna.
Ich werfe das Mobiltelefon auf den Beifahrersitz. Polizei. Ich telefoniere wieder einmal ohne Freisprecheinrichtung. Sie würde mich weit mehr ablenken als das Telefon am Ohr. Das ist bei mir ein nahezu natürlicher Zustand, aber einem Verkehrspolizisten wäre das wohl schwer zu erklären. Ich werde langsamer und erst nach zwei, drei Minuten taste ich wieder nach dem Telefon.
„Habe gewartet“, sagt Vesna. „Du hast keine Freisprecheinrichtung und da war Polizei.“
Ich hoffe, sie hat bei ihren Nachforschungen auch so viel Instinkt.
Ich höre abwechselnd Ö3, FM4 und Ö1 und frage mich wieder einmal, warum ich zu gar keiner Zielgruppe zu gehören scheine. Auf Ö3 sind mir zu viel Gequatsche und Werbung, außerdem habe ich den Eindruck, die spielen pro Tag nicht mehr als 20 so genannte Hits. Auf FM4 ist die Musik weitgehend okay, aber die Moderatoren gewisser Sendungen finde ich weniger cool als sie sich selbst. Und wenn es auf Ö1 mit Musik losgeht, bin ich einschlafgefährdet. Operngeträller hat zwar mit meiner Reportage zu tun, aber es gibt mir einfach nichts, wenn ein Tenor etwas auf Italienisch vor sich hin knödelt.
Ich drehe ab, genieße die Stille und beginne nachzudenken. Was ist, wenn Susanne Kraus mehr über Anna-Maria
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