Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
ein Auto fährt noch lange, wenn etwas aufleuchtet. Bisher war das ja auch so. Ich bin problemlos zur Redaktion gekommen, ich bin problemlos wieder weggekommen und bin jetzt Richtung Win-Sat-Studios unterwegs. Aber nach der Stadtgrenze hat die Leuchterei wieder begonnen. Und jetzt, auf der Landstraße, kann mein kleiner Fiat nicht mehr richtig beschleunigen. Kaum geht es ein wenig bergauf, werde ich immer langsamer. Irgendetwas stinkt. Ich lasse das Fenster hinunter und will es genau wissen. Ja, der Gestank kommt vom Motor. Dabei habe ich mein Ziel schon fast erreicht.
Ich bleibe stehen und hoffe auf Hilfe. Sieh selbst nach, Mira! Ich bin zwar keine Autoexpertin, aber das eine oder andere weiß ich doch. Also öffne ich die Motorhaube und kontrolliere die Kühlflüssigkeit. Null. Nur mehr ein Bodensatz. Selbst schuld. Ich hab nie daran gedacht, sie aufzufüllen. Sollte das nicht ohnehin beim jährlichen Service gemacht werden? Leider bin ich zu leichtsinnig, um bei einem Autofahrerclub zu sein. Bisher hat mein Motto „Wird schon gut gehen“ funktioniert. Außerdem ärgert mich die politische Ausrichtung der Autofahrerclubs. Nur weil ich jetzt Hilfe bräuchte, will ich mich keiner Lobby anschließen müssen. Einige Autos fahren vorbei, keines hält an. Dabei winke ich immer wieder und die Motorhaube ist auch offen. Wiener Kennzeichen. Vorbei. Dann ein Opel mit Mistelbacher Kennzeichen. Ein neugieriger Blick. Und vorbei. Verdammt. Dann ein Traktor. Das Gefährt hält am Straßenrand, eine Frau klettert aus dem Fahrerhaus. Wo die nächste Tankstelle sei, ich brauche Kühlflüssigkeit. Sie sieht mit Kennerinnenblick in den Motorraum: „Hoffentlich haben Sie kein Leck. Wann haben Sie denn die Kühlflüssigkeit zum letzten Mal kontrolliert?“
„Wann? Noch nie, um ehrlich zu sein.“
Sie fährt, um mir Kühlflüssigkeit zu holen, wir füllen sie ein, sie lässt mich mit vielen guten Ratschlägen weiterfahren. Eine ausgesprochen nette Person. Nur dass ich jetzt schon viel zu spät dran bin. Die Live-Sendung MillionenKochen ist aus. Aber ich bin nur zehn Kilometer von den Win-Sat-Studios entfernt, wer weiß, vielleicht erreiche ich Lena Sanders noch. Oder Helga Schuster. Vielleicht ist Klaus Liebig noch da, ich sollte mit ihm klären, wie wir weitertun. Ich werde über seine zweite Chance schreiben – zumindest ist das die offizielle Version.
Auf dem Hauptparkplatz stehen nur wenige Autos, auch der Parkplatz vor der MillionenKochen-Halle ist beinahe leer.
Die Türe ist offen, ich gehe ins Foyer. Der Empfangsschalter ist unbesetzt. So gesehen habe ich Glück. Ich gehe den Gang entlang, biege zum Studio 1 ab. Rotlicht. Seltsam.
„Ist da jemand?“ Ich rufe es leise, aber es hallt laut zurück.
Ich hole tief Luft und drücke ganz langsam die Klinke nach unten. Das Studio ist dunkel, wer hat das Rotlicht eingeschaltet? Oder hat man einfach vergessen, es abzudrehen? Ich gehe langsam auf die Kulisse der Kochshow zu. Mira, dreh um. Schwarze Umrisse der Kochzeile. Das einzige Licht kommt vom Gang her. Rumpeln. Es hat sich etwas bewegt. Da ist jemand. Ich glaube beim großen Kühlschrank den Umriss eines Menschen zu sehen. Plötzlich ein gellender Schrei, etwas fällt zu Boden, ein Klirren, ich bleibe wie angewurzelt stehen. Jemand rennt davon, dahinter noch jemand. Ich haste zur Studiowand, suche verzweifelt nach einem Schalter, man muss das Licht andrehen, da ist etwas, ein Kippschalter, daneben noch einer, die Schritte entfernen sich schon, sind auf der anderen Seite der Kulisse, ich drücke die Schalter nach oben. Gleißendes Licht. Jetzt sehe ich erst recht nichts. Ich habe den Großteil der Studiobeleuchtung eingeschaltet. Ich hetze um die Kulisse herum, den beiden nach, ich muss herausfinden, was da gespielt wird, es ist ohnehin nichts echt, das ist ein Film, ein Film, Mira, rundherum Kulissen und draußen Rotlicht. Gleich wird jemand sagen: „Danke, die Szene ist im Kasten.“ Und eine Maskenbildnerin wird kommen und mir vorsichtig den Schweiß von der Stirne tupfen, ich renne, sie sind jetzt raus aus dem Studio, im Gang auf der Rückseite, ich spiele die Journalistin, die alles aufdeckt, ihnen nach in den Gang, hier ist es wieder finster, nur etwas Gegenlicht durch die Tür vom Studio her, ich sehe die Schatten, eine schöne Einstellung, Dramatik pur, der Lichtchef versteht sein Geschäft. Plötzlich beide Schatten eng beieinander, oder täuscht die Perspektive? Der eine biegt ab. Hinter welchem soll ich her?
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