Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
es in der nächsten halben Stunde kommt, passt es. Ich warte auf dringende Unterlagen.“
Bert Seinitz sieht mich verwundert an. Oder überlegt er? Ehemaliger Verstaatlichtenmanager. Damals hat er sich eine Menge teurer Kochkurse leisten können.
„Was ist jetzt? Werden Sie für mich intervenieren?“, fragt er ungeduldig.
„Ich werde es versuchen“, antworte ich vorsichtig. Da fällt mir noch etwas ein: „Wissen Sie, ob Susanne Kraus näheren Kontakt zu Klaus Liebig gehabt hat?“
„Zu dem? Glaube ich nicht. Der ist doch schwul. Ja. Doch. Das hat sie zu mir einmal gesagt. Aber die wollte nur alle gegeneinander ausspielen. Auch wenn man über Tote nichts Schlechtes sagen soll.“
„Wie meinen Sie das?“
„Genau wie ich es gesagt habe. Hat sich aber wohl für zu schlau gehalten. Dann kann einem leicht etwas passieren.“
Soll das jetzt eine Warnung sein? Ich bin jedenfalls froh, als ich wieder auf der Straße stehe. Vis-à-vis studiert ein Mann voll Interesse ein Veranstaltungsplakat an einer Mauer. Ich bin mir nicht sicher, es könnte einer von Zuckerbrots Leuten sein. Ich gehe über die Straße, er wendet sich plötzlich ab und spaziert davon. Das Rockkonzert, um das es auf dem Plakat geht, war schon vorigen Monat. Beobachtet der Typ mich oder beobachtet er Seinitz?
Klaus Liebig ruft an, als ich auf dem Weg zurück zur Redaktion bin.
„Ich muss Ihnen danken“, jubelt er. „Ich darf wieder antreten. Man hat mich vom Produktionsbüro aus angerufen. Es ist jemand ausgefallen, ich kann schon heute in der 1. Runde starten. Ich werde etwas ganz raffiniert Einfaches kochen. Eine Melanzani-Variation aus Melanzanikaviar, da wird eine Melanzani so verarbeitet, dass es fast wie Kaviar aussieht, und einer Melanzani-Knoblauch-Creme in einer ausgehöhlten blauen Kartoffel und einem warmen Melanza-nisalat mit Serranoschinken. Sie kommen doch?“
„Zur Aufzeichnung? Davon weiß ich offiziell doch nichts. Außenstehende, und schon gar Medien, sind da nicht zugelassen.“
„Wir könnten uns danach sehen, wenigstens das!“
„Danach ist doch die Live-Sendung mit Helga Schuster.“
„Ja, die Sendung ist live, die können Sie sich ansehen. Ich wäre einfach froh, wenn ich wüsste, Sie sind in meiner Nähe. Sie sind so etwas wie ein … Glücksbringer für mich.“
Seine Euphorie stresst. „Ich werde sehen“, sage ich. Mit Helga Schuster wollte ich reden. Und mit Lena Sanders sowieso.
„Ich werde da bleiben und wir sehen uns“, meint mein Schützling.
Ich hätte ihn fragen sollen, ob er schwul ist. Aber so etwas fragt man nicht. Er ist über dreißig. Er hat keine Freundin. Warum hat Susanne Kraus das behauptet? Hatte sie versucht, sich ihm zu nähern, um ihn besser aushorchen zu können? Ist sie abgeblitzt? Ich glaube nicht daran, dass man Homosexuellen ihre Orientierung in jedem Fall ansieht. Klaus Liebig könnte schwul sein. Bert Seinitz kann aber auch gelogen haben.
Ich sitze in der Redaktion und habe zu viel zu tun, um zu Win-Sat zu fahren. Klaus Liebig wird enttäuscht sein, aber vielleicht ist es auch ganz gut, wenn ich etwas Distanz zwischen uns bringe. Mutmaßlicher Selbstmörder hin oder her, er ist mir etwas zu anlehnungsbedürftig. Bei meinen Kollegen habe ich mich vorsichtig umgehört, ob so etwas wie die Wahrheit über den Abgang unseres Chefredakteurs zumindest als Gerücht im Umlauf ist. Aber keine Rede davon. Mehr als darüber, warum der Chefredakteur von heute auf morgen gegangen ist, wird darüber gerätselt, wer neuer Chefredakteur wird. Betrifft ja jeden von uns, und überhaupt:
The show must go on
, gerade in unserer Branche.
Ich hab Droch versprochen, für ihn die Artikel zweier Praktikanten zu redigieren, er hat jetzt wirklich mehr als genug zu tun. Ich bin schon fast fertig mit der Umfrage „Badeanzug oder Bikini?“. Ob jemand so genau wissen will, was Österreichs Prominente tragen? Nicht mein Problem. Jedenfalls lasse ich mich gern vom Mobiltelefon-Signal ablenken. Eine SMS.
„Möchte Sie gern nach MillionenKochen treffen. Bitte kommen Sie ins Studio. Lena Sanders.“
Ich überlege: Wenn ich in zehn Minuten losfahre, geht sich sogar noch MillionenKochen live mit Renate Schuster aus. Ich bin neugierig. Ich tippe: „Senden.“
Ich brauche dringend ein neues Auto. Seit zwei Wochen schon leuchtet die Anzeige für die Kühlflüssigkeit immer wieder auf. Ich bin davon überzeugt, dass derartige Anzeigen in erster Linie dazu da sind, um ängstliche Gemüter zu schrecken. So
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