Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
drinnen“, erklärt sie.
Ich trage Besteck zum Esstisch, öffne einen Rotwein, stelle Wassergläser dazu. Die Pizzaböden sind heiß und knusprig.
Vesna meint, Lena Sanders könnte den Anschlag auf sich auch inszeniert haben. Das Ganze wirke doch reichlich opernhaft. Ich schleudere den gewaschenen Rucolasalat trocken. Und erinnere mich: Ich hatte für Momente, vielleicht waren es auch Minuten, den Eindruck, in einem Film zu spielen. Aber ich habe einen Einwand: Es waren zwei, die im Gang gerannt sind. Wenn es die Moderatorin war, die hinter jemand her war, warum hat sich der oder die Verfolgte nicht gemeldet?
„Vielleicht hat Angst“, meint Vesna.
„Oder hängt selbst mit drin“, ergänze ich, schneide die Kirschparadeiser in Viertel und lege sie auf die heißen Pizzaböden. Knallrote Tupfer wie Blutstropfen.
„Bert Seinitz kann Lena Sanders erpressen. Er weiß etwas vom Mord an der Journalistin, sie versucht ihn auch zu ermorden“, spinnt Vesna den Faden weiter.
Ich verteile den Rucola auf den Pizzas, hoble dünne Stücke Grana Padano darüber, etwas Olivenöl, Salz, Pfeffer.
„Wir sollten essen“, sage ich, „und bei MillionenKochen versuchen alles Theatralische auszublenden.“
„Das hat schon mit diesem Selbstmordversuch angefangen“, meint Vesna und folgt mir zum Tisch.
Die Pizza schmeckt knusprig, frisch, gesund und ich kann mir einreden, dass ich kaum etwas vor dem geplanten Abendessen mit Oskar gegessen habe. Wir trinken beide nur ein Glas Wein, Vesna eigentlich nur ein halbes. „Muss ich klaren Kopf bewahren“, sagt sie.
Ich beschließe, Klaus Liebig doch anzurufen. Vielleicht ist ihm gestern Abend etwas aufgefallen.
Er geht nicht ans Mobiltelefon, am Festnetzanschluss hebt ein Mann ab.
„Klaus ist mit seiner Mutter zu einer indischen Ganzheitsmedizinerin gefahren“, gibt mir sein Vater bereitwillig Auskunft. „Ich halte es übrigens für keine gute Sache, dass er wieder antritt.“
„Es war nicht meine Idee. Ist er krank?“
„Warum?“
„Wegen der indischen Medizinerin.“
„Meine Frau schwört auf sie. Sie möchte, dass sie sich unseren Sohn ansieht. Sie ist wohl so eine Art Guru und immer nur einige Wochen in Wien.“
Ich habe eine Idee: „Könnten wir uns treffen? Ich würde gerne mit Ihnen reden.“
„Ich habe eine Menge zu tun und ich habe wenig Ahnung von dem Kochquatsch.“
„Ich brauche jemanden, der dem Ganzen mit Abstand gegenübersteht.“
„Das tue ich auch wieder nicht. Immerhin ist Klaus mein Sohn. Ich will nichts … Abwertendes über ihn sagen aber er ist sehr labil. Ich habe Sorge, dass das ‚Magazin‘ ihn für seine Zwecke missbraucht.“
„Reden wir“, sage ich.
„Ich will in Ihrer Story nicht vorkommen. Ich kann das nicht brauchen.“
„Es wird nur verwendet, was Sie möchten.“
„Morgen, 10.30 Uhr in meiner Firma in Wien. Passt Ihnen das?“
Ich lasse mir die Adresse geben und sage zu. Missbrauche ich Klaus Liebig? Sicher nicht, um durch die „zweite Chance“ unsere Auflage zu steigern. Vielleicht, indem ich ihn vorschiebe, um an die eigentliche Story heranzukommen? Wahrscheinlich, weil ich herausfinden möchte, wer Susanne Kraus ermordet hat. Und ob Lena Sanders tatsächlich beinahe erstochen worden wäre. Wie viel ist eine Story wert? Wie viel ist die Wahrheit wert?
Vesna kommt aus dem Badezimmer und sieht sensationell aus. Ich bewundere wieder einmal, wie sehr sie sich verändern kann. Üblicherweise ist sie ungeschminkt, in bequemer Hose und T-Shirt unterwegs, aber mit anderer Kleidung, dezentem Make-up und hohen Schuhen wird sie zu einer ganz anderen Frau. Sie schlüpft nicht in eine andere Rolle, sie ist diese andere Frau, diese Dame. Und sie hat Spaß daran, das sehe ich.
„Du solltest dich öfter so kleiden“, sage ich begeistert.
„Vielleicht“, erwidert sie und dreht sich kokett vor dem Spiegel.
Keiner würde vermuten, dass die Dame in Rot keine Kennerin der Malerei des 20. Jahrhunderts ist. Sie muss Tage und Wochen in Galerien und Ausstellungen verbracht haben, sie hat daheim sicher auch einige bemerkenswerte Bilder.
„Mata Hari war ein Dreck gegen dich“, grinse ich, als sie ihre rote Handtasche nimmt.
„Die war auch bloß Spionin und keine Detektivin“, lautet ihre Antwort. „Ich melde mich.“ Und damit schwebt sie zur Tür hinaus.
Gegen elf am Abend fühle auch ich mich beschwingt. Oskar und ich haben gut gegessen, zwei Flaschen Wein getrunken. Es war einfach ein schöner Abend zu zweit, ohne
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