Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
Fernsehshows, überzogene Gefühle und Hoffnungen. Ich habe ihm nur ganz kurz über die gestrige Nacht erzählt und alles allzu Dramatische weggelassen. Und gerade da ist mir eingefallen: Wenn Lena Sanders tatsächlich nichts ahnend auf mich gewartet hat, warum ist es dem Täter dann nicht gelungen, sie hinterrücks zu erstechen? Warum hat sie nicht einmal einen Kratzer davongetragen?
Wir schlendern Hand in Hand durch die Wiener Innenstadt Richtung Wohnung. So eine Wohnung hat schon ihre Vorteile. Und endlich sage ich das, wofür ich den ganzen Abend über nicht den richtigen Zeitpunkt gefunden habe.
„Wie wäre es, wenn ich bei dir einziehe?“
Oskar geht weiter, er sieht mich nur kurz mit einem überraschten Blick an. „Du brauchst einen ständigen Katzensitter, gib es zu. Bei den vielen Abenden, die du irgendwo zwischen Tiroler Nobelrestaurants und Weinviertler Fernsehstudios unterwegs bist …“
„Als Katzensitter bist du unschlagbar“, gehe ich auf seinen leichten Ton ein. „Und sonst auch. Ich denke, wir sollten es probieren.“
„Und was wird aus deiner geliebten Wohnung?“
Das habe ich mir ja schon genau überlegt. „Man muss nichts übereilen“, sage ich, ich will ihn mit der Idee nicht kränken, sie sicherheitshalber doch einige Monate leer stehen zu lassen.
„Das glaube ich auch“, kommt es schnell.
Wie meint er das? Wie war das damals am Abend auf dem Sofa? „Willst du, dass ich zu dir ziehe?“ Mein Herz klopft.
Oskar hält weiter meine Hand, wir gehen die Rotenturmstraße entlang. „Natürlich“, sagt er. „Nur … ich weiß, dass du deinen Freiraum brauchst. Und ich verspreche dir, ich passe auch so auf Gismo auf.“
Er will es gar nicht. Seit einem Jahr, eigentlich schon um einiges länger, seit wir verheiratet sind, glaube ich, das ist sein sehnlichster Wunsch – oder zumindest einer der sehnlichsten -, und jetzt stellt sich heraus, dass er mit unserem Vagabundentum sehr gut leben kann. Dass es ihm lieber ist, als würde ich ständig mit ihm leben. Mira, spinn nicht. Momentan ist einfach kein guter Zeitpunkt, um darüber zu reden. Du hast das MillionenKochen-Theater im Kopf. Und Oskar hängt zwischen zwei schwierigen Fällen, hat er ja heute Abend erzählt.
„Soll ich heut Nacht trotzdem zu dir mitkommen?“, frage ich mit belegter Stimme.
„Was hast du denn gedacht?“, antwortet er mit seiner zärtlichen, tiefen Stimme.
Einen Vorteil hat unser Arrangement: Man darf sich immer neu entscheiden. Oder ist auch das eine Illusion?
In einer schmalen Seitengasse stehen einige Menschen mit Champagnergläsern auf der Straße. Ausnahmsweise in diesem Sommer ein lauer Abend.
„Da ist doch die Galerie, in der Vesna den Produzenten treffen wollte“, meint Oskar und biegt ab.
„Er darf mich nicht sehen“, erwidere ich.
„Schade“, meint Oskar, „ich mag Emil Nolde. Wer weiß, ob er noch da ist. Jetzt kommt man sicher auch ohne Einladung hinein.“
Die Menschen auf dem Gehsteig kenne ich nicht. Zwei sind sehr jung, vielleicht Kunststudenten. Vielleicht aber auch Söhne und Töchter aus kunstsinnigem Haus. Ob Jana hierher passen würde? Mit einem entsprechenden Outfit sicher. Wie einfach es ist, sich in einer anderen Schale zu verstecken. Ich spähe vorsichtig durch die großen Scheiben, vorbei an dem Porträt eines Berges, Landschaft mit Gesicht, ein wenig erinnert mich das Bild an bäuerliche Holzschnitzarbeiten: Wurzelsepp auf dem Bücherregal, aber es hat trotzdem etwas anderes, etwas Besonderes … Oder sehe ich das nur, weil ich weiß, wer Emil Nolde ist und welche Preise seine Werke erzielen? Dort hinten stehen sie: die attraktive Frau in Rot und der Produzent einer der erfolgreichsten Fernsehshows. Sie scheinen sich gut zu verstehen, sie lachen und prosten einander zu.
„Vesna und der Miteigentümer von Win-Sat“, sage ich halblaut zu Oskar.
„Warum nicht?“, meint Oskar.
Ja, warum eigentlich nicht?
Ich treffe Helmut Liebig in seinem Büro. Ein paar hundert Quadratmeter in einem der neuen Bürohäuser in der Wiener City, viel Glas, Ausblick bis über die Donau, Überblick. Seine Firma heißt schlicht und einfach „Liebig“, und das finde ich für einen Unternehmensberater überraschend seriös.
Eine junge Frau empfängt mich, sie ist nicht die Sekretärin, stellt sich heraus, sondern eine Mitarbeiterin, die sich auf die Beratung von Landwirten spezialisiert hat.
„Ihre Eltern haben einen Bauernhof, sie hat Betriebswirtschaft studiert“, erklärt mir
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