Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
es wird reichlich schief.
„Jetzt übertreib mal nicht. Niemand weiß, was ich wirklich will. Und ich bin ein Profi.“
„Und wenn es der Täter gestern Nacht auf dich abgesehen hatte?“
So mittendrin ist mir das gar nicht zu Bewusstsein gekommen. Aber gestern Nacht im Hotel bin ich bei einem kleinen Geräusch aufgewacht und lange schweißgebadet im Bett gelegen …
In London ist es offenbar in letzter Minute gelungen, Terroranschläge auf eine Reihe von Flugzeugen zu verhindern. Ich soll einen Kommentar zu diesem Thema schreiben, sagt Droch. „Damit du auf andere Gedanken kommst. Die Welt dreht sich nicht um eine Kochshow.“
Seit ich letztes Jahr an einem mehrwöchigen europäischen Seminar über Terrorbekämpfung teilnehmen durfte, gelte ich als Expertin in solchen Fragen. Und der Außenpolitikchef ist ohnehin auf Urlaub. Ich seufze. „Du bist der Boss“, sage ich dann, und die nächsten Stunden verbringe ich damit, Unterlagen über die jüngsten geplanten Terroranschläge und die politischen Reaktionen darauf zu sammeln. Viel anders geht es in der Politik auch nicht zu als bei meinem MillionenKochen. Das Image zählt. Wer kommt wie und warum am besten beim Publikum an? Publicity ist – fast – alles.
Eigentlich hätte ich mit Vesna bei einem ausführlichen Mittagessen besprechen wollen, wie es weitergeht. Aber das haben die Terroristen vereitelt. Jetzt haben wir uns für den späten Nachmittag bei mir in der Wohnung verabredet, Vesna wird dann direkt von mir aus zur Vernissage gehen. Sie hat mir schon am Telefon erzählt, dass es so aussieht, als wäre Bischof tatsächlich die ganze Zeit über bei der Weinverkostung gewesen. Ganz genau kann das freilich niemand sagen, es waren mehr als 100 Weinliebhaber dort.
Oskar habe ich ein ruhiges Abendessen in einem seiner Lieblingslokale versprochen.
Ich wollte eine Kleinigkeit für Vesna und mich kochen. Ich hab heute noch nichts zu essen bekommen, und bis zum Abend mit Oskar dauert es noch einige Stunden. Aber irgendwie hat sich die ganze Millionenkocherei auf mein Gemüt geschlagen, ich habe seltsamerweise, seltenerweise keine Lust zu kochen. Ich habe auch nichts eingekauft. Ich starre in den Kühlschrank. Rucola. Käse. Ein paar Kirschparadeiser. Salat mit Paradeisern und Grana Padano. Ich habe keine Lust auf Salat. Ich sollte doch zu Oskar ziehen, ich werde es ihm heute Abend vorschlagen. Und wenn er nicht will? Unsinn, er wollte immer. Vielleicht machen wir es probeweise. Für einen Monat. Und die Wohnung? Meine Wohnung? Zuerst ein paar Monate leer stehen lassen und danach, wenn es so aussieht, als bliebe ich in Oskars Wohnung, kann ich sie vermieten, immer bloß auf ein Jahr. Für alle Fälle.
Vor Kurzem hat zwei Straßen weiter ein Pizzaservice aufgemacht. Aber eine Pizza vor dem Abendessen? Mein Magen knurrt. Ich habe eine Idee. Ich rufe den Pizzaservice an und bestelle zwei Pizzas, dünn und knusprig gebacken ohne etwas drauf. Die Frau am anderen Ende der Leitung fragt noch einmal nach: Mit nichts? Ich bestätige.
Bis Pizza und Vesna kommen, setze ich mich an den Computer. Ich gehe auf die Homepage von MillionenKochen, sehe mir Bilder, Einträge, Fanpost an. Auch ein Video-Download der letzten Minuten der gestrigen Show gibt es. Ich lade die Datei, aber offenbar habe ich keinen richtigen Mediaplayer, ich sehe alles in schräg-verzerrten Farbflächen, es sieht aus, als hätten gewisse Bilder von Roy Lichtenstein zu leben begonnen. Oder ist das geplant? Als Hommage an Roy Lichtenstein und Andy Warhol? Kaum anzunehmen. Es hat ein knappes Ergebnis gegeben: 54 Prozent waren für Anna-Maria Bischof, 46 Prozent für Helga Schuster. Ich blättere die Fotos der gestrigen Show durch. Ich zoome näher. Im Publikum sitzt Klaus Liebig. Er ist nach der Aufzeichnung seiner Show offenbar noch geblieben. Er wollte mich treffen, aber ich bin zu spät gekommen. Und dann ist er wohl gefahren. Ich sollte ihn fragen, wie es ihm ergangen ist. Wenn ich über den Mord an Susanne Kraus nichts Neues herausfinde, muss ich seine Geschichte schreiben. Ich habe keine Lust, mit ihm zu telefonieren.
Vesna kommt gleichzeitig mit den Pizzas.
„Pizza, gute Idee“, lobt Vesna und sieht ganz schön enttäuscht aus, als ich sie auspacke. Das Rohr ist schon auf das Maximum vorgeheizt. Ich bestreiche die Pizzas mit gutem Olivenöl und schiebe sie noch einmal zum Wärmen ins Rohr.
Vesna stellt ihre Tasche ins Badezimmer. „Ich war unterwegs, Kunstliebhaberinnenoutfit ist hier
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