Millionenkochen: Ein Mira-Valensky-Krimi
Aber es stimmt: Sie war so schnell nach der Sendung da, dass ich mich gewundert habe. Kaum eine Viertelstunde später. Seltsam, wenn man jemanden gerade im Fernsehen gesehen hat, und dann steht er vor einem. Ihr ging es vielleicht wirklich nicht so gut, sie ist gleich aufs Zimmer gegangen. Wissen Sie, was ich mich frage: Wer isst die zubereiteten Speisen eigentlich?“
„Das Team“, sage ich, „da gibt es jede Menge Techniker und Maskenbildnerinnen und redaktionelle Mitarbeiter, die haben immer Hunger.“
„Nur weil sie gar nichts gegessen hat.“
Ich gähne und sage, ich möchte noch ein paar Schritte vor die Türe machen und dann schlafen. Ich gehe aus dem Hotel hinaus auf den Parkplatz. Keine Ahnung, welches Auto Anna-Maria Bischof gehören kann. Ich tue so, als würde ich die kühle Nachtluft einsaugen, sehe mich um. Am Ende des Parkplatzes, gleich neben dem Gebüsch, steht ein großer Chrysler. Und jetzt sehe ich auch die Aufschrift: „Restaurant Margarita“. Nicht eben ein unauffälliger Wagen.
[ 9. ]
Ich bin kurz nach acht in der Redaktion. Mir erschien es besser, von den Bischofs nicht im Hotel gesehen zu werden, und was hätten sie mir erzählen können, was ich nicht schon erfahren habe?
Theoretisch kann Anna-Maria Bischof auf ihr Zimmer gegangen und kurz danach wieder weggefahren sein. Das Auto stand auffällig weit vom Eingang entfernt. Wer geht schon freiwillig weiter, als er muss? Aber vielleicht war der Parkplatz ja auch zu der Zeit, zu der sie angekommen ist, voll. Noch etwas Interessantes habe ich gesehen: Das Hotel verleiht Fahrräder, sie sind in einem Garagenabteil untergebracht und ungesichert. Anna-Maria Bischof könnte ein Rad genommen haben. Sie ist fit, 10 Kilometer mit dem Rad sind für sie wohl kaum ein Problem. Sie hätte maximal eine halbe Stunde für den Weg gebraucht. Das Rad würde auch erklären, warum sie niemand wegfahren gehört hat, nachdem sie durch den Seitenausgang geflohen ist. Oder es stimmt, dass sie nach der Kochshow einfach müde war und früh schlafen gegangen ist.
Und ihr Mann?
Ich suche im Internet nach der Salonwein-Verkostung in Georgendorf und finde die Kontaktadresse des Weinbauvereinsobmanns. Ich rufe an und erreiche den Winzer sofort.
„Guten Morgen, Hotel ‚Margarita‘. Herr Bischof war gestern bei Ihnen, er vermisst seine Sonnebrille, ist die zufällig gefunden worden?“
„Ja, der war da. Eine Sonnenbrille … Es war ja Abend.“
„Schon gut, vielleicht hat er sie anderswo liegen lassen.“
„Er wollte sich melden wegen des Rieslings“, sagt der Weinbauvereinsobmann.
„Das macht er sicher in den nächsten Tagen. Vielen Dank. Auf Wiederhören.“
Ich weiß jetzt immerhin, dass Herr Bischof bei der Weinverkostung war. Wie lange und ob die ganze Zeit hindurch, das kann Vesna überprüfen.
Die nächsten Stunden verbringe ich damit, mir ein Konzept für die Reportage „Die Zweite Chance“ auszudenken – nur für den Fall, dass ich mit dem, was ich eigentlich schreiben möchte, nicht weiterkomme. Natürlich will Klaus Liebig jetzt nichts mehr über Verträge und vorgetäuschte Live-Sendungen erzählen, er ist wieder mit dabei und ganz sicher loyal, er will gewinnen.
Ich kenne eine sehr gute Psychologin. Ich werde sie über Grenzsituationen befragen, die entstehen können, wenn man sein ganzes Glück von so etwas wie einem Gewinn bei einer Fernsehshow abhängig macht.
Außerdem sollte der Produzent jetzt wohl bereit sein, mir ein kurzes Interview zu geben. Zumindest am Telefon. Fehlanzeige. Ich bekomme stattdessen den Regisseur an die Leitung. Viel erfahre ich nicht, außer dass er ihn behandeln werde wie jeden anderen Kandidaten auch und dass er ihm viel Glück wünsche.
Die Psychologin meint, sie müsse sich mit dem Thema erst auseinandersetzen, sie rufe mich morgen zurück, ob das reiche? Wenn es anders nicht geht …
Danach kommt Droch.
„Alles okay?“, sagt er.
Ich erzähle ihm, was gestern Nacht im Studio passiert ist. Es ist zu leicht möglich, dass er es von Zuckerbrot erfährt. Und ich möchte meine Reportage nicht gefährden.
„Ich will, dass Vesna immer bei dir ist. Oder besser noch: Sie soll dir einen Bodyguard besorgen, sie hat sicher Kontakte in dieser Szene.“
„Wie unauffällig“, spotte ich.
„Nach dem Chefredakteur will ich nicht der Nächste sein, der aus dem ‚Magazin‘ fliegt“, sagt Droch.
Ich sehe ihn groß an.
„Wenn sie dich kriegen, dann bin ich weg.“ Er versucht ein Grinsen,
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