Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
Vom Netzwerk:
ein Sicherheitsschloß, der Schlüssel läßt sich dreimal drehen. Wenn die Leute in Urlaub fahren, schließen sie gewöhnlich bis zum Anschlag ab.«
    »Ja, aber sie ist ja nicht gefahren.«
    Die Henkel atmete geräuschvoll aus, drehte sich halb weg, so daß Biggi nicht sehen konnte, ob sie das komisch fand, aber es hörte sich so an. Biggi hatte keinen Witz machen wollen, aber manchmal passierte das. Es passierte bei Leuten, die – was wußte sie denn – so sicher waren. Überlegen. Man hörte es am Tonfall ihrer Stimmen, sah es an ihren Gesten. Leute wie sie hier, die Oberkommissarin, die sich vor ihr in den Himmel schraubten. Da konnte es passieren, daß sie etwas Falsches sagte. Nicht direkt etwas Falsches – daß sie es falsch sagte. Daß sie nicht wußte, wie sie etwas sagen sollte und es kam dann falsch heraus.
    Sie legte die Hände auf die Knie und guckte auf ihre Schuhe. »Ich kann mich nicht erinnern, ob ich gedacht habe, es sei – irgend etwas ungewöhnlich. Das Aufschließen geht so automatisch –« Sie mußte sich konzentrieren, setzte sich ganz gerade hin, aufrecht, verschränkte die Arme. Sie mußte aufpassen, nicht dauernd auf ihrem Stuhl zusammenzusacken, durfte sich nicht so kleinmachen. Gerade hier nicht, vor dieser Oberkommissarin.
    Die Henkel hatte sich ihr wieder zugewandt, drehte einen Bleistift zwischen zwei Fingern. »Was ist mit Gabriel?«
    Biggi starrte sie an.
    »Gabriel. Julias Freund, nehme ich an.«
    »Ich glaube nicht, daß Julia einen Freund hatte.«
    »Nein?«
    Biggi sah eine Weile vor sich hin. »Sie haben die Wohnung durchsucht, nicht?«
    »Ja.« Die Polizistin zögerte einen Moment und sagte dann: »Wir müssen.«
    »Hat sie ihm geschrieben? Sie hat dauernd irgendwelchen Leute geschrieben, Schauspielern, Popstars und so. Tom Cruise hat sie geschrieben, dieser französischen Sängerin, ich weiß jetzt nicht, wie sie heißt, das sind ja nur diese Autogrammadressen, da kriegt man vorgefertigte Autogrammkarten zurück, ich meine, Sie können den Stars hundert Liebesbriefe schreiben, das ist völlig belanglos, die lesen das nicht. Die haben gar keine Zeit dazu.« Biggi rieb sich die Stirn. Die Henkel sah sie unverwandt an, als erwarte sie, daß Biggi ewig weiterrede.
    »Wissen Sie, mit Briefen an Gabriel wäre das genauso gewesen. Gabriel Mosbach.« Sie wartete, ob die Henkel etwas sagte, aber das tat sie nicht, und sie fügte hinzu: »Der vom Fernsehen. Der macht die Talkshow Menschen bei Mosbach, die kennen Sie doch sicher. Julia war da drin, ich meine, sie war in einer Sendung dabei. War Gast. Da war das Thema, ob ein Mann zärtlich sein muß oder so. Seitdem war sie in Gabriel verknallt. Oder vorher schon, ich weiß nicht. Sie hat mich ständig nach ihm ausgefragt.«
    Die Henkel hielt ihren Bleistift, als sei er kostbar, könnte fallen und zerbrechen. Sie sprach langsam, sagte: »Gabriel Mosbach ist der Moderator dieser Talkshow.«
    Biggi nickte.
    »Und Sie sagen, er war nicht mit Julia zusammen?«
    »Julia hatte doch keinen Freund. Hätte sie einen Freund gehabt, hätte sie das erzählt, was glauben Sie denn – gerade wenn es Gabriel gewesen wäre. Ich meine, sie suchte schon jemanden. Einmal hat sie eine Kontaktanzeige aufgegeben, aber es haben sich nur so blöde Typen gemeldet.«
    Die Henkel schob das Ende des Bleistiftes zwischen ihre Lippen. Spielte sie das Spiel Wer zuerst wegguckt, hat verloren gewann sie es wohl jedesmal.
    Biggi holte Luft. »Sie war schon in ihn verknallt, in Gabriel, meine ich, aber er war ja nicht ihr Freund. Der hat sie einmal im Leben gesehen. Bei der Sendung.«
    Die Henkel rührte sich nicht. Nach einer halben Ewigkeit fragte sie: »Kennen Sie ihn?«
    Biggi setzte sich genauso hin, wie die Henkel saß, das rechte Bein über das linke geschlagen, zurückgelehnt mit durchgedrücktem Kreuz. »Gabriel? Ja sicher. Es ist mein Job, ihn zu kennen. Ich arbeite mit ihm, ich meine, ich arbeite bei der Firma. Der Produktionsfirma, ich meine, bei der Firma, die seine Talkshow produziert.« Sie fing an zu stottern, das kam vor. Die Polizistin saß da.
    Biggi räusperte sich. »Also, es ist die Firma RLE. Die produziert für das Fernsehen Kindersendungen und zwei Talkshows. Auch eben diese von Gabriel. Menschen bei Mosbach. Da arbeite ich.«
    »RLE? Was heißt das?«
    Biggi räusperte sich erneut. »Real Life Entertainment.«
    Die Polizistin nahm das zur Kenntnis. Sie sah Biggi immer noch geradewegs an. »Wann hat Julia diese Kontaktanzeige

Weitere Kostenlose Bücher