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Mimikry

Mimikry

Titel: Mimikry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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schließt doch gewöhnlich alles ab, wenn man in Urlaub fährt. Sagt sie, ja, aber Bischof ist ja gar nicht gefahren.«
    Fuchs prustete, der Kater nieste. Stocker schlug seinen Kamm gegen den Handrücken. »Sie denkt mit.«
    »Morgen.« Sie riß eine Schublade auf und machte sie wieder zu. »Morgen schreibe ich den Bericht.« Sie sah Stocker an. »Oder machen Sie das? Nein, machen Sie natürlich nicht.«
    »Braucht er nicht«, sagte Fuchs. »Ist ja im Rang über dir.«
    »Zum Glück nur im Rang.«
    »Machen Sie das«, sagte Stocker. »Sie müssen besser formulieren lernen, Sie sind da zu nachlässig.«
    »Ja, ja. Wissen Sie was, ich bin nicht hier, um irgendwelche Romane zu verfassen. Warum belästigen Sie nicht mal den Kissel mit Ihren Belehrungen, aber da trauen Sie sich ja nicht ran.«
    »Der Kissel kann das ja auch.«
    »Der hat mich letztens gefragt, wie man Weichteilrheumatismus schreibt.«
    »Und haben Sie’s gewußt?«
    »Weichteilrheumatismus«, wiederholte sie. Sie setzte den Kater auf die Decke und nahm ihn hoch. »Ich komme gegen sieben, wenn ich es schaffe.«
    »Das kommt ganz auf den Verkehr an.« Fuchs sah sie eine Weile an. »Das hast du jetzt wieder nicht verstanden.«
    »Ich hab das schon verstanden. Ich will dann das Tagebuch von der Bischof haben. Diesen komischen Block. Ach so, und dieser Meurer –« Sie legte eine Hand auf die Türklinke, ließ wieder los. »Wer geht denn jetzt in die Firma von dem, wo arbeitet der eigentlich? Ich möchte mal wissen –«
    »Aus!« Stocker klatschte in die Hände. »Wo nehmen Sie den ganzen Atem her?«
    »Was?« Sie starrte ihn an.
    »Eine Leiche, und Sie fangen an zu quasseln.«
    »Tu ich nicht.«
    »Doch, doch.« Er nahm ein Taschentuch und wischte einen Fingerabdruck vom Spiegel. »In Ruhezeiten kriegen Sie doch kaum die Zähne auseinander.«
    »Was denn für Ruhezeiten? «Sie ging auf ihn zu, und sein Gesicht im Spiegel verschwand. »Ich möchte mal wieder Zeit fürs Kino haben, ich würde gerne mal wieder –«
    »Gehen Sie nach Hause«, sagte Stocker. »Morgen wird’s lang.«

9
    Kreisendes Blaulicht erhellte den Hof des Präsidiums. Wie ein verglühender Feuerwerkskörper flackerte es in einer Pfütze und stieg dann auf in den düsteren Himmel. Vor einem Mannschaftswagen hielt ein Beamter zwei Hunde fest, die sich winselnd gegen die Leine stemmten. Grüßend tippte er an seine Mütze. »Sie haben ja Ihr Kätzchen dabei.«
    Zitternde Ohren ragten aus der Decke, die sie trug. »Ist ein Kater«, sagte Ina Henkel. Sie sah zu, wie die Hunde die Köpfe nach ihr reckten. »Die sollen sich doch nicht rühren, warum flippen die jetzt aus bei einer Katze?«
    »Das sind Leichenhunde.« Der Beamte drückte die Köpfe der Hunde zwischen seine Knie. »Die üben noch.«
    »Was üben die denn?«
    Er schob seine Mütze zurück. »Die kriegen Läppchen mit Geruchsspuren. Verwesung, Verfall, solche Sachen.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Hm.« Er nickte. »Kommen Sie von ’ner Leiche?«
    Ina Henkel starrte die Hunde an, einer hatte gelbe Augen. Sie ging einen Schritt zurück.
    »Die Nasen sind sehr fein«, sagte der Beamte. »Alle Tiere haben feine Nasen.«
    Sie legte den Kopf in den Nacken und sah den zuckenden blauen Blitzen zu.
    »Katzen auch.« Er deutete auf die Decke. »Ganz feine Nasen.«
    »Machen Sie doch das Licht aus.«
    »Es hat vorhin nicht funktioniert.« Er zog die Schultern hoch, es war kalt. »Ich will’s mal beobachten. Bin jetzt seit zehn Stunden – gab Ärger, und ich hatte noch die Nachtschicht, aber Sie kennen das ja.« Er tätschelte die Hunde und murmelte: »Ist gut, ist gut.«
    Ina Henkel ging zu ihrem Wagen, zog den Mantel aus und warf ihn in den Kofferraum. Es ging nur im Schrittempo voran. Vor ihr ein Jaguar, sie pfiff durch die Zähne, links ein Lieferwagen mit der Aufschrift »MIETE MICH«, zwei telefonierende Männer rechts in einem Taxi. Sie schob eine Kassette ein und drehte die Lautstärke hoch, Hardrock bei halb geöffneten Fenstern. Der Kater döste auf dem Beifahrersitz, und sie nahm eine Hand vom Steuer und legte sie ihm auf den Kopf. »Jimmy?« Er reagierte nicht.
    »Jerry?« Er sah sie an.
    »Jerry.« Sie nickte. Vorn die Lichter wie Mückenschwärme, alles verschwamm im Dunst, rote Bremslichter, das gelbe Geflimmer an einer Baustelle, weiße Gesichter hinter der Scheibe einer Straßenbahn. »Schädelbruch«, sagte sie. Der Kater gähnte.
    »Wegen der Schläge. War Blut im Ohr. Das ist immer so bei Schädelbruch. Blut im Ohr.« Sie

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