Mind Control
Balkon mit Farnkübeln und getönten Scheiben an, von denen eine tatsächlich auf Kipp stand. Nikolaj konnte sein Glück kaum fassen. Er und Cross schlüpften lautlos auf den Balkon, und Gondel und Drohne hinter ihnen senkten sich wieder ab.
»Soll ich hier auf euch warten?«, tönte es leise aus Cross’ Multibox.
»Ja, und jetzt Funkstille bitte!«, flüsterte er. Der Raum hinter den Balkontüren war in Dunkelheit getaucht, doch trotz der getönten Scheiben konnte man weiter hinten einen schmalen Lichtstreifen erkennen. Dort waren auch leise Stimmen zu hören.
Vorsichtig versuchte Nikolaj durch den Spalt nach dem Türriegel zu greifen, doch es gelang ihm nicht, ihn zu erreichen.
»Sind Sie immer so schlecht vorbereitet?«, wisperte Cross. Er zückte ein Multitool ähnlicher Machart, wie Nikolaj es bei seinen Einsätzen im Körper Katharinas benutzt hatte, und präsentierte einen Glasschneider.
»Sie erfüllen alle Klischees eines Paparazzo, was?«, spottete Nikolaj und zog seine Prawda.
Cross zuckte mit den Schultern. »Das ist noch das kleine Einbrecherbesteck.« Dann schnitt er ein Stück aus der Scheibe. Vorsichtig legte er das herausgetrennte Glas auf einem der Blumenkübel ab, griff ins Innere und öffnete die Balkontür. Er griff nach der fünfzehnschüssigen Vollautomatik der Marke Signum VZ2 von United Industries, die er vorhin schon eingesetzt hatte. Cross seufzte. »Ich mag keine Waffen.«
»Sie haben sich vorhin doch gut zur Wehr gesetzt?«
»Dass ich Waffen nicht mag, heißt nicht, dass ich sie nicht benutze«, erwiderte Cross leise. »Aber Sie haben es ja selbst gesehen: Ich habe nicht einmal getroffen.«
Sie schlüpften in ein großzügig eingerichtetes Hotelzimmer mit protzigem Schreibtisch, Besprechungsecke und prachtvollen Orbitalbildern von Pherostine an den Wänden. Die Stimmen im Hintergrund waren nur gedämpft zu hören, so als ob sich die Bewohner der Suite einige Räume weiter aufhalten würden. Nikolaj, dessen Sorge um Jiang wuchs, je länger die Entführung zurücklag, wollte schon weitergehen, als ihn Cross zurückhielt. Der Reporter deutete zu dem Arbeitstisch. Dort lag ein Touchpad umgeben von Akten und Schriftwechseln aus ElektroSync-Papier. Der Bildschirm leuchtete bläulich. Nikolaj vergewisserte sich rasch, dass die Stimmen nicht lauter wurden, bevor sie die Funde näher inspizierten. Es handelte sich um Unterlagen, die von mehreren interstellaren Anwaltskanzleien stammten und sich mit Vorgängen der PLU, der Pherostine Labour Union, dem ehemaligen Zweig der Gewerkschaft auf diesem Planeten, und einer Firma namens WasteLand beschäftigten. Es ging darin um juristische Verteidigungsstrategien bei der Anhörung, zu der Gerhard Müller geladen war.
Cross schnappte sich kurzerhand eine Aktentasche, die aufgeklappt neben dem Tisch stand, und packte alles hastig ein. Nikolaj hingegen fuhr den Bildschirm des Pads hoch und konnte sein Glück kaum fassen. Das war der Rechner von Gerhard Müller - vor allem aber war er noch an. Sofort gab er den Namen von Bruno Müller ein, und das Pad spuckte einen Schriftwechsel gespeicherter SVR-Dateien aus. Aufgeregt klickte er einige der Dateien an und überflog sie.
»Unglaublich«, flüsterte Cross und deutete auf eine der geöffneten Dateien. »Gerhard Müller hat seit fünf Jahren straffällig gewordene Mitglieder der GWA an seinen Bruder vermittelt.«
Nikolaj nickte. Er klickte sich durch weitere Dateien und stieß auf Frachtlisten mit Auflistungen von Enclave Limited-Fertigmodulen, Nahrungsmitteln, Laserschweißbrennern, Sauerstoffvorräten, Raumanzügen und vielem mehr, die auf die Logistik eines langjährigen Außeneinsatzes hindeuteten. »Ohne Zweifel eine größere Sache«, wisperte Nikolaj. »Aber zu welchem Zweck?«
Cross übernahm und klickte sich durch einen Ordner mit Videodateien, die offenbar von Bruno Müller stammten.
Dessen Korrespondenz konnten sie nicht einsehen, da der Computer von ihnen ein Passwort verlangte, doch die heruntergeladenen Filme ließen sich aufrufen. Sie waren ohne Ton und etwas verwackelt, aber sie zeigten Arbeiter in Raumanzügen, die auf Mondmobilen über eine Kraterlandschaft fuhren. Der unbekannte Ort war in gleißendes Licht getaucht. Luna? Am oberen Rand der Aufnahmen blitzten in diesem Augenblick zwei grelle Sonnen auf. Ein Dop-pelsternensystem! Hatte Bruno Müller auf At Lantis nicht behauptet, ein solches erst kürzlich besucht zu haben? Also irgendeine Außenwelt. Die Ruine einer Art
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