Mindfuck: Warum wir uns selbst sabotieren und was wir dagegen tun können (German Edition)
weicht mehr oder weniger stark ausgeprägten Anpassungsstrategien.
Menschen, die sich offen und neugierig für die Welt interessieren, lernen automatisch. Wenn wir etwas gelernt haben, fühlen wir uns kompetent, wirksam und stark. In autoritären, hierarchisch geordneten Gesellschaften war das nicht erwünscht. Der Satz »Wissen ist Macht« kommt nicht von ungefähr. Je mehr ein Mensch lernt, inhaltlich und praktisch, desto stärker entwickelt er seine Persönlichkeit, und desto selbstsicherer und unabhängiger wird er. Wir können in allen Epochen genau sehen, wie Menschen systematisch von Bildung und Wissen, aber auch von anderweitigem Erkunden des Lebens ferngehalten wurden. Für Frauen galt bis ins 20. Jahrhundert Bildung als unschicklich oder sogar gesundheitsschädlich. Auch für Männer war Bildung viele Jahrhunderte lang das Vorrecht einiger weniger.
Die Entdeckung des eigenen Körpers, sexuell, gesundheitlich oder sportlich, wurde Frauen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein abgesprochen. Zum berühmten Boston Marathon wurden Frauen erst 1972 zugelassen. Die Veranstalter waren der Meinung, Frauen könnten und sollten keine größeren Belastungen aushalten. Es sei schädlich für ihre Gebärmutter und ihre Brüste (!). Die erste Frau, Roberta Gibb, hatte sich 1966 inoffiziell und ohne Startnummer eingeschlichen. Die zweite Frau, Katherine Switzer, hatte sich mit der Abkürzung K. Switzer angemeldet. Man dachte, sie sei ein Mann. Als ihr wahres Geschlecht »aufflog«, versuchten Streckenposten vergeblich, sie aus dem Rennen zu holen. [27] Man wollte partout nicht, dass Frauen eigene Erfahrungen mit dem Marathon sammelten.
Macht bedeutet immer, dass den Unterworfenen Grenzen gesetzt werden. Je mehr man ihnen verbietet, Erfahrungen zu machen und zu lernen, desto leichter kann man sie beherrschen. Durch soziale Konditionierung, einschränkende Sitten und Gebräuche, religiöse und politisch-rechtliche Vorschriften wurden unsere Vorfahren über Jahrhunderte gedrillt und zum Funktionieren gebracht. Wie wir bei den Ursachen von
MINDFUCK
gesehen haben, lernten sie im Laufe ihrer schon in der Kindheit beginnenden Konditionierung, sich selbst gedanklich zu beschränken. Wer in einer Umgebung aufwächst, die ihm immer wieder einen niedrigen Rang zuweist und in der Lernen verpönt oder sogar verboten ist, glaubt nach und nach, dumm zu sein, und akzeptiert den Status quo des Wissens und der Erfahrung als einzige Lebensmöglichkeit. Was aber noch schlimmer ist: Er oder sie verliert die natürliche Neugierde.
Interesse an Dingen, Menschen oder Zusammenhängen sowie die pure Neugierde, zu erfahren und zu lernen, ist jedoch ein wesentlicher Bestandteil menschlicher Lebensqualität. Es macht das Leben aufregend und interessant und ist das Gegenteil von Langeweile. Je lebendiger ein Mensch ist, desto wissbegieriger, experimentierfreudiger und neugieriger ist er auch. In Zeiten, in denen wir selbst entscheiden müssen, wie unser Leben verlaufen soll, gibt es, außer ein paar Ewiggestrigen und Menschen, die private Machtgelüste oder Neurosen ausleben, niemanden mehr, der uns verbietet, die Welt und das Leben frei zu erkunden. Wir profitieren also in doppelter Weise, wenn wir uns wieder für Interessantes und Neues öffnen: Wir erhöhen die Intensität unseres Lebens, und wir gewinnen an neuem Selbstbewusstsein. Diese Intensität und dieses Selbstbewusstsein brauchen wir wiederum, um unser Potenzial zu nutzen und gute Entscheidungen für unser Leben zu treffen.
Die gute Nachricht ist, dass wir jederzeit in der Lage sind, wieder neugierig und offen zu werden. Wir können, wenn wir unseren
MINDFUCK
ausschalten und uns ein neues Denken erlauben, wieder mit einer offenen Haltung auf das Leben und andere zugehen. Diese Offenheit bewährt sich auch in kritischen Situationen. Denn sie öffnet uns für unsere immense natürliche Fähigkeit zu lernen.
Timothy Gallwey fiel in der Arbeit mit Sportlern auf, dass diese deutlich schneller lernten und weit bessere Leistungen erzielten, wenn sie sich für das, was sie taten, wirklich interessierten und neugierig waren. Eine Haltung der Neugierde bringt etwa folgenden inneren Dialog:
Ich bin gespannt auf das, was ich gleich erleben werde. Ich bin neugierig darauf, wie ich diese Herausforderung lösen werde.
Vergleichen wir diesen inneren Dialog in der Haltung offenen Interesses mit dem inneren Dialog im
MINDFUCK
-Modus:
Oje, wie soll ich mit dieser Situation bloß fertig werden. Mein
Weitere Kostenlose Bücher