Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
angeben.«
Sie wartete und hielt still, bis der Computer mit »Scan abgeschlossen«, antwortete, dann stand sie vom Bett auf, durchwühlte ihre Unterwäscheschublade und suchte nach … Mist, sie hatte nur noch die, die immer in die Ritze rutschte. Das geschah ihr recht, warum kümmerte sie sich auch nie um ihre Wäsche?
Sie zog sie an, dazu einen Sport-BH, und fand – natürlich – keine saubere Cargo-Hose in ihrem Schrank. Also blieb ihr die Wahl zwischen Motorradklamotten oder die Dreckwäsche nach Tarnhosen zu durchforsten, die nicht zu schlimm waren. Und da die Sachen fürs Motorrad nicht zu dem taugten, was sie im Sinn hatte …
»Aktuelles Vernetzungsniveau fünfzig Komma zwei-vier Prozent«, teilte ihr der Computer mit.
»Ha!«, entfuhr es ihr. »Siehste?«
»Befehl unklar«, rügte der Computer sie sanft. »Bitte wiederholen.«
»Schick den Bericht auch Dr. Joseph Bach«, befahl Mac, als sie ganz unten im Wäschehaufen eine olivgrüne Hose fand, die noch akzeptabel war. Sie zog sie an. »Und nur bei ihm folgenden Text in kleiner Schrift dazu: Sofern es keine Planänderung gibt, sehen wir uns um 14.00 Uhr. «
Statt Stiefel zog sie Turnschuhe an.
Ihr übliches schwarzes Trägertop war völlig in Ordnung – obwohl sie noch ein Oberteil brauchte …
Sie nahm eine eng anliegende rote Bluse – aus einem leichten, hauchdünnen Stoff, den sie ums Verrecken nicht freiwillig angezogen hätte – aus dem Kleiderschrank ganz hinten. Für eben eine solche Situation hatte sie sie gekauft, und das Teil würde absolut seinen Zweck erfüllen. Sie warf sie auf die Lehne des Barhockers in der Küche, auf dem auch schon ihre Jacke bereitlag.
»Irgendeine Antwort von Zerkowski oder Bach?«, fragte sie ihren Computer, während sie ins Bad ging.
»Negativ«, teilte ihr der Computer mit.
Gut. Auch wenn sie ihre E-Mail erst vor ein paar Minuten geschickt hatte, Bach und Elliot hätten bestimmt sofort geantwortet, wären sie wach und erreichbar gewesen.
Mac warf einen Blick in den Spiegel, spritzte sich Wasser ins Gesicht und putzte sich die Zähne, und derweil passte sie ihre Brüste an, machte sie kleiner, als sie es ohnehin schon waren. Sie konnte sie nicht ganz verschwinden lassen, sie aber mehr nach einer pubertierenden Dreizehnjährigen aussehen lassen. Das wenige überschüssige Fett an ihrem Körper wanderte zum größten Teil zu den Armen und Schultern, sodass sie weicher und weniger muskulös wirkten. Ihr Gesicht wurde runder, indem sie eine Portion Babyspeck in ihren Wangen, um die Augen herum und unter ihrem Kinn platzierte. An den Unterarmen glättete und straffte sie ihre Haut – das war eine der verräterischsten Stellen, wo die meisten Frauen versagten, wenn sie ihr wahres Alter verbergen wollten. Es sei denn natürlich, sie hatten einen fähigen Schönheitschirurgen – oder Macs spezielle Begabungen.
Oder waren Destiny-süchtig.
Sie stellte ihre Zahnbürste zurück in den Becher auf der Ablage und rückte noch mal alles zurecht – dieses Mal, ohne zu schauen, nur aus dem Gedächtnis.
Als sie erneut in den Spiegel sah, starrte sie ein trotziger Teenager an. Für einen kurzen Augenblick war es verwirrend – als wäre sie irgendwie in die Zeit zurückgereist, bevor ihr Bruder Billy und ihre Mutter gestorben waren und sie als Vierzehnjährige in die schäbige Wohnung gezogen war, in der Janice und ihr Sohn Tim mit Macs Vater wohnten. Janice hatte Mac von Anfang an gehasst, warum, hatte sie nie verstanden.
Aber als Mac nun in die verschlossenen, mürrischen Augen ihrer Jugend blickte, verspürte sie – zum ersten Mal – einen Anflug von Mitgefühl mit der dritten Frau ihres Vaters, die jahrelang mit finanziellen Problemen zu kämpfen gehabt hatte und deren eigener Sohn, Tim, nicht gerade Grund zum Stolz bot. Janice ’ Beziehung mit William Mackenzie ging zu der Zeit den Bach runter, und dann tauchte auch noch Mac auf, ablehnend und feindselig.
Das musste ziemlich ätzend gewesen sein.
Mac versetzte ihr Äußeres wieder in den Originalzustand und sprühte ein bisschen Conditioner ins Haar. Es war getrocknet, während sie geschlafen hatte, und nun zerzauste sie es wenigstens gleichmäßig. Dann verstaute sie ihre Plastikschere und -handschellen in einer ihrer Hosentaschen, zusammen mit Dietrich und Schlüsseln, faltete die rote Bluse lose zusammen, stopfte sie in die flache Tasche unten an ihrem rechten Bein und war startklar. Mit der Jacke in der Hand verließ sie ihr Zimmer, ohne sich noch
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