Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
Plastikhandschellen, die sie offenbar in ihrer Hosentasche gehabt hatte –, »aber wenn dir ein Weg einfällt, das zu tun, ohne ihn umzubringen, tu dir keinen Zwang an. Ich weiß wirklich nicht, ob er den Joker gemacht hat oder bloß unter dem Einfluss der Droge steht. Ich kann mein Handy hier drinnen nicht benutzen, deshalb gehe ich raus in die Eingangshalle, rufe Elliot an, dass er den Krankenhubschrauber schickt, um ihn abzuholen. Das geht schnell.«
»Ich werde hier sein«, sagte Shane.
»Danke«, sagte Mac und fügte hinzu: »Wenn er zu sich kommt und du glaubst, er hat den Joker gemacht, warte nicht, bis er anfängt, im Zimmer herumzufliegen. Töte ihn.«
Und damit verschwand sie.
Bach war tatsächlich draußen in Annas Wohnzimmer, wie er es in seiner Nachricht geschrieben hatte. Er schlief auf dem Sofa, nur leicht nach unten gerutscht, sodass sich sein Kopf an der Rückenlehne befand, er jedoch mit beiden Füßen fest auf dem Boden stand.
Er schlief so, wie er alles tat – ruhig. Behutsam. Förmlich – ganz wie er auch jene Nachricht mit seinem vollen Namen unterzeichnet hatte. Joseph Bach.
Er hatte Anna gebeten, ihn zu wecken, aber es waren noch fünfundzwanzig Minuten bis er bei der Besprechung erwartet wurde, die er in der Nachricht erwähnt hatte.
Außerdem konnte sie sehen, dass die Computerstation am Fenster auf der anderen Seite des Raums aktiviert war, also ging sie rasch dorthin. Bach rührte sich nicht, und als sie sich auf den Stuhl am Computer setzte und sich noch mal nach ihm umblickte …
Schlief er immer noch.
Also gab Anna den Namen Devon Caine in die Suchmaschine ein.
Der erste Link, der erschien, führte sie – großer Gott – zur Datenbank der Sexualstraftäter von Massachusetts, wo es tatsächlich ein Bild – eine jüngere Version – des größeren der beiden Männer gab, die ihre Schwester entführt hatten. Caines Adresse war sogar angegeben, und sie lehnte sich vor, um die kleine Schrift zu entziffern.
»Da wohnt er nicht mehr.«
Anna fuhr zusammen. Bach war aufgewacht und beobachtete sie vom Sofa aus.
»Wir haben das bereits überprüft«, fuhr er fort, während er sich streckte und sich das Haar glatt strich, obwohl es gar nicht durcheinander war. Zumindest nicht im Vergleich zu ihren eigenen unordentlichen Locken. »Außerdem haben wir herausgefunden, dass vor fünf Jahren sein Führerschein eingezogen wurde – und bei der darauf angegebenen Adresse findet man ihn auch nicht bei. Er hat eine lange Vorstrafenliste, unter anderem Fälle von Drogen am Steuer, und er wohnt auch nicht mehr bei der Adresse, die er bei seinem Bewährungshelfer angegeben hat – den er seit fast zwei Jahren nicht mehr besucht hat. Es gibt einen achtzehn Monate alten Haftbefehl – was nicht unbedingt bedeutet, dass er schwer zu finden ist, sondern eher, dass die Polizei nicht aktiv nach ihm gesucht hat. Aber wir tun das.«
Seine Botschaft war eindeutig. Das OI-Team würde nicht achtzehn Monate brauchen, um Caine – oder Nika – zu finden.
Das hofften sie zumindest.
»Ich wollte Sie nicht stören«, sagte sie.
»Es war Zeit aufzuwachen.«
Obwohl er geschlafen hatte, sah Bach immer noch müde aus – tatsächlich schienen sich neue Linien der Erschöpfung in seinem Gesicht abzuzeichnen. Und irgendwann in der Nacht oder am frühen Morgen musste er seinen blauen Pulli aus- und einen fast identischen grünen angezogen haben, der ihm auch gut stand.
»Irgendwas Neues wegen den Projektionen von Nika?«, fragte sie und wagte nicht zu hoffen. Sie hatte überhaupt nichts geträumt – weder von Nika noch irgendwas anderem –, also erwartete sie nicht viel.
Er schloss einen Moment die Augen, als sähe er in seiner Erinnerung nach, doch dann schüttelte er den Kopf. »Nein.«
Sie hatte die Luft angehalten. Insgeheim hatte sie doch gehofft. Und war enttäuschter und frustrierter, als sie gedacht hätte.
»Tut mir leid«, sagte Bach.
»Einen Versuch war es wert«, sagte Anna. »Und selbst noch einen. Vielleicht könnten Sie heute Nacht wieder bei mir schlafen?« Sie spürte, wie sie bei ihren eigenen Worten leicht rot wurde. Sie wollte nicht, dass er ihre Frage falsch verstand.
Aber Bach schien es gar nicht zu merken. Er nickte nur. »Ich rede mal mit Elliot – Dr. Zerkowski –, vielleicht kommen wir darauf, was genau beim ersten Mal passiert ist. Wenn Sie für einen weiteren Test bereit sin…«
»Bin ich«, sagte sie. Sie hatten zuvor nur Zeit für ein paar Vorab-Untersuchungen
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