Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
plauderte – nicht nur über das erfundene Hospiz, in das Großvater verlegt werden sollte, sondern auch über Persönliches wie die Tatsache, dass er nach Arizona gegangen war, um sein Medizinstudium abzuschließen, aber jetzt war er wieder hier in Boston und lebte nicht weit von dem Ort entfernt, wo er aufgewachsen war, wie passend, oder?
Mac behielt Blickkontakt und lächelte. Vielleicht übertrieb sie es ein wenig, denn als sie den alten Mann auf die Tür zuschoben, die hinaus zum Landeplatz führte, sagte Dr. Samuels: »Ich weiß, wir sind uns gerade zum ersten Mal begegnet, und normalerweise tu ich so was nicht, aber …«
Jetzt kam’s. Er würde sie um ein Date bitten oder nach ihrer Telefonnummer fragen, und Mac warf Shane einen Blick zu, um sicherzugehen, dass er aufpasste – und das tat er.
»Wollen Sie mich heiraten?«
»Entschuldigung, was?« Mac wandte sich wieder dem Arzt zu.
»Ich weiß.« Der Mann lachte, aber gleichzeitig war er todernst. »Es ist verrückt, aber … Ich glaube, ich habe mich noch nie in meinem Leben jemandem spontan so verbunden gefühlt. Es ist, als wären Sie … ich weiß nicht, als wären Sie extra für mich geschaffen. Ich fürchte, ich verpasse die Chance meines Lebens, wenn ich sie einfach so gehen lasse.«
Der Typ hatte Mumm, das musste Mac ihm lassen. Er sah etwas, das er zu wollen glaubte, und griff zu.
So ähnlich wie Shane.
Der sie immer noch genauestens beobachtete und von ihr zum Arzt und wieder zurück blickte und abwartete, was sie sagen oder tun würde.
Zunächst fuhr sie ihre Fähigkeiten runter. Ganz weit runter. Trotzdem wusste sie, dass ihre Wirkung auf den Mann erst nach ein paar Stunden abklingen würde, also sagte sie – so zartfühlend wie möglich –: »Vielen Dank. Ich fühle mich geschmeichelt. Wirklich. So ein Kompliment bekommt eine Frau nicht alle Tage, aber … ich bin bereits vergeben. Ich bin in einer Beziehung, aber sollte je Schluss sein, melde ich mich bei Ihnen, versprochen.«
Mit aller Macht verströmte sie Glaubwürdigkeit und konnte spüren, dass er die Lüge akzeptierte. Gott sei Dank. Meistens kam sie nicht so gut davon, wenn sie jemandem eine Abfuhr erteilte.
Dem Arzt war das Ganze allerdings deutlich peinlich – er entschuldigte sich schnell und ließ sie an der Schwesternstation stehen, um auf den Hubschrauber zu warten.
Erst als sich die Aufzugstür hinter dem Mann schloss, sagte Shane endlich etwas. »Das war ziemlich heftig.«
»So funktioniert es«, sagte Mac. »Und mit ein bisschen Abstand, in wenigen Stunden, wird er sich nicht mehr erinnern, warum er so hingerissen war. Er wird komplett vergessen haben, was er gefühlt hat. Und sich sagen: Mann, das war verrückt. Zum Glück hat sie nicht ja gesagt. «
»Ich habe es nicht vergessen«, bemerkte Shane, als ihr Telefon vibrierte und eine SMS von Elliot anzeigte. Ankunft Hel in ca. 10 Min.
Obwohl, ihr fiel die Verzögerung ein … ja. Elliot hatte die Nachricht vor zehn Minuten geschickt. Und da, durch das Fenster, war der sich nähernde OI-Hubschrauber zu sehen, und sein Dröhnen wurde lauter und lauter. Sie löste die Bremsen des Krankenhausbettes, während sie Shane über den alten Mann hinweg in die Augen blickte.
»Das ist, weil ich mit dir geschlafen habe«, klärte Mac ihn auf.
»Ja, daran erinnere ich mich auch«, sagte er mit jenem Lächeln, das sie innerlich zum Schmelzen bringen konnte – wenn sie es zuließ. »Sehr deutlich.«
»Vielleicht«, sagte sie, »sollten wir Dr. Bach bitten, in deinen Kopf zu gehen und diese Erinnerungen abzuschirmen.«
Shane stutzte. » Das kann er?«, fragte er und fügte dann hinzu: »Und was, wenn ich das nicht will?«
Mac antwortete nicht. Sie drückte nur den Knopf, um die Türen zu öffnen. Selbst wenn sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hätte, wäre sie von dem Lärm und dem Wind der Hubschrauberblätter übertönt worden. Gemeinsam beeilten sie sich, Edward O’Keefe sicher ins Obermeyer-Institut zu bringen.
Nika hatte gerade mit Ketchup das O auf das Fenster gemalt, als sie hörte, wie die Tür aufgeschlossen wurde.
Schnell zog sie die Vorhänge zu und leckte sich den Finger ab, während sie sich dafür wappnete, sich gegen den Reinkommenden zur Wehr zu setzen, wer es auch immer sein mochte.
Es war eine Frau, und auf den ersten Blick sah sie Anna so ähnlich, dass Nikas Herz einen Satz machte. Doch es war nicht ihre Schwester. Wer immer diese Frau war, sie wog wesentlich mehr als Anna. Ihr Gesicht war
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