Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
runder, voller. Aber dann sah Nika, dass es gar keine Frau war – sondern noch ein Mädchen. Ein Teenager. Und sie war nicht dick, sie war schwanger. Und obwohl ihre Haut, so wie Annas und Nikas, mokkafarben war und ihr Haar dunkel und lockig, waren ihre Augen nicht braun, sondern von einem klaren Grünton.
Und sie wirkten hart und kalt, und mit ihrem fest zusammengekniffenen Mund sah sie, trotz ihres geschwollenen Leibes und des bräunlichen, weiten Kleides, gefährlich aus.
Sie blieb etwa drei Meter von Nika entfernt stehen und sagte: »In diesem Raum bist du sicher. Wenn du lernst, ihn zur Erholung und Regeneration zu nutzen, wirst du überleben. Wenn du hier deine Zeit mit Sachen verschwendest, die du nicht kontrollieren kannst, nicht.«
»Wo bin ich?«, fragte Nika.
Das Mädchen schüttelte den Kopf, den Mund wieder zusammengekniffen. »Hör mir zu. Ich war selbst mal an deiner Stelle – ich versuche dir zu helfen, Mädchen.«
»Dann hilf mir«, bat Nika. »Ich muss hier raus –«
»Es gibt keinen Weg raus.«
»Es muss einen geben«, argumentierte Nika. »Wenn du mal an meiner Stelle warst und jetzt frei herumläufst …«
Das Mädchen lachte, doch es klang schroff. »Ich bin nicht frei.«
»Aber du kannst die Tür öffnen«, beharrte Nika. »Lass uns von hier verschwinden. Wenn wir zusammen fliehen, vielleicht –«
»Was?« Das Mädchen klang jetzt verächtlich. »Du denkst, du könntest mich retten?«
»Ich denke, wir sollten es versuchen!«
»Tja, daraus wird nichts.«
»Dann ruf wenigstens meine Schwester an und sag ihr, wo ich bin –«
»Damit sie auch einkassiert wird? Obwohl, wenn sie nicht wie du ist, bringen sie sie um. Sie werden sie ausbluten lassen, sie benutzen, sie bearbeiten, bis sie tot ist, wie Zooey und die anderen. Die kriegen keinen sicheren Raum wie diesen, weißt du. Sondern nur die besonderen Mädchen. Aber wenn du aufhörst, besonders zu sein – und das wirst du, wenn du nicht bei Kräften bleibst –, wirst du nicht hierher zurückkehren. Und dann werden sie dich aufbrauchen.«
»Und wofür?«, fragte Nika und versuchte, nicht zu weinen. »Ich verstehe nicht –«
»Versuch zu verstehen«, sagte das Mädchen und schlang sich jetzt schützend die Arme um den Bauch. »Alles, was du wissen musst, ist: Wenn du in diesem Zimmer bist, musst du essen und schlafen. Du musst dich auf deine Gesundheit konzentrieren.« Sie zeigte auf das Bett. »Leg dich hin.«
Nika hob trotzig das Kinn und weigerte sich, sich von den zugezogenen Vorhängen zu entfernen, die den Blick auf das Fenster versperrten, auf das sie zwei Drittel von ihrem SOS geschrieben hatte. Trotzdem wirkte ihre Stimme ziemlich zittrig. »Ich bin nicht müde.«
»Glaubst du im Ernst, dass sie dich nicht beobachten und abhören? Dass sie nicht wissen, was du hier getrieben hast? Leg dich aufs Bett, Mädchen, damit ich das Fenster sauber machen kann, und du kannst froh sein, wenn sie dir kein Beruhigungsmittel durch den Körper jagen, denn du kannst dich nicht so regenerieren, wie es nötig ist, wenn du unter Drogen stehst.«
Aber Nika schüttelte den Kopf.
Und die Stimme des Mädchens wurde strenger. »Deine Zeit hier läuft ab. In acht Stunden musst du wieder auf Linie sein, also iss, was sie dir bringen, nimm ein Bad, mach ein paar Dehn- und Kraftübungen – und schlaf so viel du kannst und – da, hast du das gehört?«
Nika hatte etwas gehört, ein zischendes Geräusch aus der Vorrichtung an ihrem linken Arm, und sah sie sich an, während das schwangere Mädchen fortfuhr: »Du willst nicht schlafen? Zu dumm – dann werden sie dich zum Schlafen bringen, nur dass es dir nicht so viel nützen wird, wie es könnte. Du solltest dich ins Bett legen, Kind, bevor du noch umkippst.«
Aber es war zu spät. Alles um sie herum verschwamm, und die Stimme des Mädchens wurde leiser, das Licht dämmriger, und Nika spürte, wie ihre Beine unter ihr nachgaben und sie zu Boden sackte.
Das Letzte, was sie sah, bevor ihr schwarz vor Augen wurde, war das schwangere Mädchen, das auf sie hinabblickte, eine Hand an ihren Bauch gepresst, während sie grimmig den Kopf schüttelte und wie aus weiter Ferne sagte: »Du denkst, du bist was Besonderes, aber das bist du nicht. Nicht wirklich. Es gibt immer noch andere Mädchen. Die werden in dieser gottverdammten Welt nie Mangelware.«
17
»Das ist doch totaler Quatsch«, sagte Mac und brach das Schweigen, das sich in Dr. Bachs Büro ausgebreitet hatte, nachdem Dr. Zerkowski –
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