Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
und zugleich half es, an das Gute im Menschen zu glauben.
Natürlich war er immer noch geschockt von seinem Ausflug in Diaz ’ Kopf – und zwar nicht über Diaz’ ungezügelte sexuelle Zuneigung zu einem anderen Mann, sondern über die schiere Wucht und Ungeheuerlichkeit der Gefühle des Groß-Thans für Elliot.
Liebe.
Diese absolute, leidenschaftliche Überzeugung war ergreifend. Und sie weckte Erinnerungen …
Wie es sich angefühlt hatte, wie es gewesen, was er einmal gewesen war und nie wieder sein konnte …
Bach atmete tief durch, und dann schlüpfte er vorsichtig in Anna hinein, wohl wissend, dass das Medikament in ihrem Körper eine gewisse Zusammenhangslosigkeit oder zusätzliches mentales Chaos verursachen konnte. Doch er war schon zuvor durch einige sehr verworrene Köpfe gewandert. Entscheidend war, wachsam zu bleiben und sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit in sein eigenes Selbst zurückzuziehen, als schwämme man unter Wasser und tauchte ab und zu auf, um Luft zu holen.
Bach schloss die Augen, während er in Anna Taylors unverwechselbare Wärme eintauchte und sich darauf konzentrierte, jede Spur oder jeden Faden unfertiger Gedanken oder Überlegungen zu erspüren, die ihn zu Erinnerungen an Nika führen könnten.
Zunächst musste er Annas kleine Schwester finden und erkennen lernen, dann konnte er versuchen, für Anna eine Traumbotschaft zu schaffen und sie an das Mädchen zu senden.
Er fand sofort eine starke Erinnerung, die immer noch eng mit Annas Gefühlswelt verwoben war – an Nika, die Trost brauchte, nachdem ihre Mutter gestorben war. Während das wesentlich jüngere Mädchen in ihren Armen geschluchzt hatte, war Anna stark geblieben, obwohl sie selbst fast überwältigt wurde – nicht nur von der Trauer, sondern auch von der Angst vor ihrer neuen und immensen Verantwortung, sich um ihre kleine Schwester zu kümmern. Alles wird gut , hatte sie zu Nika gesagt. Bald wird alles wieder gut …
Dann rasten und sprangen ihre Gedanken – als ob bei einer altmodischen LP die Nadel sprang – zum Bild eines Mannes, groß und dunkelhaarig, einschüchternd in seinem Geschäftsanzug, mit breiter roter Krawatte und kalter Wut in dem gut geschnittenen Gesicht. Er holte aus und verpasste Bach eine schallende Ohrfeige, die ihn zu Boden warf.
Was zum Teufel …?
Doch dann wurde Bach klar, dass er das aus Annas Perspektive sah und spürte. Er war tief in diese neue Erinnerung eingetaucht – oder vielleicht war es auch ein Traum.
Glaubst du etwa, das gibt dir das Recht, mich zu bestehlen? brüllte der Mann ihn – Anna – an. Du schuldest mir was, du Miststück! Komm sofort zurück!
Doch Anna rannte aus dem Zimmer, schluchzend und verängstigt. Sie gelangte in einen Flur, doch der Mann jagte ihr hinterher. Er erwischte sie am Handgelenk, seine Finger gruben sich in ihr Fleisch, als er sie brutal zurückriss, durch eine andere Tür und über einen teuren kastanienbraunen Teppich zerrte, um sie dort auf ein riesiges Doppelbett zu schleudern. Sie versuchte, von ihm wegzukommen, doch er lag auf ihr, bleischwer, und drückte sie nach unten, obwohl sie sich mit Händen und Füßen wehrte und schrie – Nein! Nicht! Tu das nicht! Nein! –, bis der dunkelhaarige Mann sie wieder schlug, so hart, dass sie fast das Bewusstsein verlor, er ihr die Kleider vom Leib riss und – Nein! – brutal und schmerzhaft in sie stieß.
Großer Gott!
Bach löste sich und zog sich zurück, schlug die Augen auf und schnappte nach Luft, während er beinahe aus seinem Sessel fiel.
Haley sprang auf und durchquerte den Raum, die Augen weit aufgerissen. »Alles in Ordnung, Doktor?«
»Ja«, keuchte er. »Schsch!« Er schloss die Augen und beugte sich weit vor, presste die Handrücken an die Stirn und hob einen Finger, in der Hoffnung, dass die Technikerin verstehen würde. Er musste sich für einen Augenblick zurückziehen, denn so schrecklich und brutal dieser Albtraum gewesen war, irgendetwas war da gewesen, etwas, das er wiedererkannt oder schon mal gesehen hatte. Oder vielleicht etwas, das Anna schon mal gesehen hatte …
Aber – verdammt! – es war zu flüchtig und zu schrecklich, und es war weg.
Bach atmete immer noch schwer, richtete sich auf, und in seinem Rücken zog es; doch wieder ignorierte er den Schmerz, denn der war nichts im Vergleich zu dem, was ihn in Annas Albtraum erwartete, in den er zurückkehren musste. Oder ihre Erinnerung – er wusste nicht, was es war. Albtraum, Erinnerung oder der
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