Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
wie ich aussehe. Und normalerweise verschweige ich, was ich mache, aber … Sie wollte ich nicht anlügen. Tatsächlich bin ich Gehirn chirurg, Miss Taylor, aber das ist für manche noch schwerer zu schlucken. Ich habe auch noch ein paar andere Abschlüsse. Innere Medizin. Psychiatrie.«
»Wie, Raketenwissenschaft etwa nicht?«
Sein Lächeln wurde breiter, und charmante Linien kamen rechts und links von seinem Mund zum Vorschein – zu elegant, um sie Grübchen zu nennen. »Eigentlich schon. Aber das lasse ich meistens lieber weg. Die Leute nehmen mich sonst weniger ernst.«
»Das gilt wohl nicht für Ihren Abschluss vom Clown-College …?«
Er lachte. » Das habe ich noch nicht absolviert«, räumte er ein. »Aber ich habe das – zumindest für die westliche Welt – maßgebende Buch über neuronale Vernetzung geschrieben.«
Verrückterweise wollte ein Teil von ihr den ganzen Unsinn sogar glauben, besonders angesichts des Schalks in seinen Augen.
»Was uns zurück zu Ihrer Schwester bringt«, sagte er und wurde mit einem Schlag wieder ernst und sachlich. »Wussten Sie, dass sie zu zwanzig Prozent vernetzt ist? Hatte sie irgendwelches Training von außerhalb oder …« Er verstummte, wahrscheinlich, weil er sie nur anzusehen brauchte, um festzustellen, dass sie kein Wort verstanden hatte.
Zwanzig Prozent was? »Was hat das damit zu tun, Nika zu finden?«, fragte sie ihn.
»Alles«, sagte er. »Es ist der Grund für ihre Entführung. Sie ist etwas Besonderes, und …« Er runzelte leicht die Stirn und nahm sein Telefon aus der Tasche. Er musste eine SMS bekommen haben, denn als er auf den Bildschirm sah, wurden seine Stirnrunzeln noch stärker. »Tut mir leid, aber wir müssen wirklich hier weg. Sofort.« Er öffnete die Beifahrertür seines Wagens.
»Mmm«, machte Anna. »Ich bin immer noch nicht scharf drauf, zu jemandem ins Auto zu steigen, dem ich gerade zum ersten Mal begegnet bin.«
»Das kann ich verstehen.« Er starrte sie einen Moment lang an und seufzte dann. Ein kleines bisschen. »Ich kann Ihnen helfen … mir zu vertrauen.«
»Und … wie? Indem Sie mir Ihren Amateurdetektivausweis zeigen?«, fragte sie. »Oder einen Zettel von Ihrer Mutter, auf dem steht: Vertrauen Sie meinem Sohn ? «
»Meine Mutter ist tot«, sagte er.
Sie zuckte zusammen. »Tut mir leid«, sagte sie. »Wirklich, tut mir sehr leid. Das war … ich wollte nicht …« Sie konnte die Tränen, die ihr plötzlich in die Augen schossen, nicht aufhalten. »Meine auch, und, Gott, was würde ich darum geben, wenn sie jetzt hier wäre.«
Er sah sie an, und obwohl sie Sympathie und Mitgefühl in seinen Augen erkannte, rührte er sich nicht. Er stand nur da und machte gar nichts, und nichts geschah, außer …
Anna wurde plötzlich von Wärme, Frieden und einem Gefühl ruhiger Gewissheit überflutet.
Joe Bach wird Nika finden.
Joe Bach wird sie nach Hause bringen.
Nika und ich werden bei ihm beide absolut sicher sein. Immer.
Meine Mutter hätte ihn geliebt …
»Im Institut haben wir Geräte«, sagte er ruhig, »mit denen wir Nikas Handy zurückverfolgen können. Ich weiß, dass sie das so schnell wie möglich machen wollen. Obwohl ich offen sein will, Anna. Wer immer sie entführt hat, es ist kein Amateur. Die haben ihr Telefon weggeworfen oder zerstört, gleich nachdem sie sie geschnappt haben. Auf diese Weise werden wir sie nicht finden.«
Anna nickte. »Ich will es trotzdem versuchen. Ist das sehr teuer?«
»Nein«, sagte er, trat auf die Straße, ging zur Fahrerseite hinüber und öffnete sie. »Kommen Sie.«
Zeit zu gehen.
Joe Bach ist ein Freund.
Anna nickte wieder und stieg ins Auto.
Ungeduldig hantierte Mac mit dem Schlüssel am Schloss ihrer Wohnungstür und wünschte sich – nicht zum ersten Mal – Bachs oder Diaz’ telekinetische Fähigkeiten. Obwohl sie große Objekte bewegen konnte – Autos, Busse, hin und wieder ein Flugzeug – musste sie die feinmotorischen Fertigkeiten, die man brauchte, um das innere System eines Türschlosses zu überlisten, erst noch entwickeln. Natürlich war sie im Vergleich zu Bach und D noch ein relativer Neuling auf diesem Gebiet.
»Soll ich mal …?«, fragte Shane, doch sie schüttelte den Kopf und zog sich die Lederhandschuhe aus, damit sie den Schlüssel besser handhaben konnte.
»Ich hab’s.« Endlich ging die Tür auf, und als sie den ehemaligen Matrosen hineinführte, fiel ihr ein, dass sie sich, wenn sie nachgedacht hätte, in der Kneipe schon um den Thermostat
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