Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
hätte kümmern können, damit sich die alten Heizkörper schon mal hätten aufwärmen können. Stattdessen war die Wohnung kalt.
Aber sie hatte nicht klar denken können. Zumindest nicht über diesen Hausmütterchenkram, durch den eine Wohnung warm und behaglich wurde.
Sie hatte nie mehr gemacht, als ihre diversen Wohnbereiche mit dem Nötigsten zu möblieren. Sie hängte keine Bilder oder Vorhänge auf, sammelte keinen Schnickschnack oder Nippes oder gar altmodische DVDs oder Bücher wie manche Leute.
In Stephen Diaz’ Quartier im OI füllten Regale fast jede verfügbare Wandfläche. Da gab es schöne Kissen, teures Kochgeschirr und Kunstgegenstände.
Mac dagegen reiste mit leichtem Gepäck und hob nichts auf. Und eine Wohnung wie diese in so einem miesen Stadtteil war einfach nur ein Platz zum Pennen.
Oder um sich einen Typen zu halten, von dem sie sich gelegentlich ganz gern vögeln ließ.
Sie zog Mütze und Halstuch aus, ließ jedoch die Jacke an, als sie zum Thermostat neben der Küchentür ging und den Pfeil auf eine Temperatur von 24 Grad stellte, warm genug, um nackt herumlaufen zu können. Das würde allerdings eine Weile dauern. Bis dahin mussten sie ihre eigene Wärme erzeugen.
Oh ja.
Sie streifte sich die Jacke ab und drehte sich zu dem Matrosen um, der immer noch neben der Tür stand und sie beobachtete.
Verflucht, war der attraktiv – groß und schlank mit breiten Schultern, schmalen Hüften und langen Beinen. Außerdem war er fast verboten gut aussehend, mit seinem dichten, rötlich blonden Haar, einer geraden Nase, starkem Kinn und einem geradezu eleganten, wohlgeformten Mund, der sich häufig zu einem Lächeln verzog.
So wie auch in diesem Augenblick.
Er war gebildet, hatte gute Manieren, und aus seinen klaren, leuchtend blauen Augen strahlte Intelligenz. Und sosehr sie auch über die Offizier-und-Gentleman-Sache gespöttelt hatte, es turnte sie total an. Er war das genaue Gegenteil von Justin, ein erwachsener Mann, im Vergleich zu diesem ewig trotzigen Jungen.
Sein Lächeln wurde breiter, als sie ihn so eingehend musterte, und sie bezweifelte nicht eine Sekunde, dass er genau wusste, wie verdammt gut er aussah. Sie hätte ein ganzes Monatsgehalt darauf verwettet, das er seinen Augen ganz bewusst dieses Funkeln verlieh, um das Herz einer Frau schneller schlagen zu lassen.
Es funktionierte.
Nun, sie selbst hatte ja auch so ihre Tricks, also konnte sie sich kaum beschweren.
Sein Blick wurde noch intensiver, während er weiter einfach nur dastand und ihr Mund regelrecht austrocknete.
»Hast du noch einen Namen?«, flüsterte er. Selbst seine Stimme war sexy. Ein voller Bariton ganz ohne Akzent, ein klein wenig rauchig und mit einem besonderen Klang. »Außer einfach Mac? «
»Ja«, sagte sie.
Er wartete, aber als ihm klar wurde, dass sie nicht die Absicht hatte, ihm mehr zu verraten, lachte er kurz auf. Es klang fast melodisch. »Okay«, sagte er.
»Wirklich?«, fragte sie.
»Was bleibt mir anderes übrig?« Dann zog er die Jacke aus und warf sie aufs Sofa, kam aber immer noch nicht näher.
»Du könntest beleidigt abziehen«, schlug sie vor.
Darüber musste er noch mehr lachen, er war aufrichtig belustigt. »Ich schätze, in irgendeinem Paralleluniversum könnte ich tatsächlich beleidigt abziehen. Aber hier wird das nicht passieren.« Dann blickte er sich um, im kleinen, karg eingerichteten Wohnzimmer, dem angrenzenden Essbereich, der Durchreiche in die winzige Küche, dem Flur, der – in nur wenigen Schritten – zum Schlafzimmer führte. Und dann sah er sie wieder an und wartete eindeutig auf ein Stichwort.
Also gab Mac ihm eins. »Ich würde dir ja ein Bier oder was zu essen anbieten«, sagte sie, während sie den kleinen Flur entlangging, »aber ich war schon länger nicht mehr hier und bin ziemlich sicher, dass nichts im Haus ist.«
»Schon gut. Aber … kann ich dich was fragen?«, erwiderte er, während er ihr ins Schlafzimmer folgte, wo sie die Nachttischlampe anschaltete. Er wartete nicht auf die Antwort. »Bin ich hier, weil – oder obwohl – ich auf der schwarzen Liste stehe?«
»Weder noch«, sagte Mac. »Du bist hier, weil du ehrlich warst.« Sie sah ihn über die Schulter hinweg an, während sie sich auf die Bettkante setzte, wo sie am weitesten von der Tür entfernt war. In ihren Worten lag die pure Ironie, denn auf gar keinen Fall würde sie so ehrlich zu ihm sein zu sagen: Du bist außerdem hier, weil meine mentale Selbstheilung schon den Turbogang
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