Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
übersatten, vom Meer herübergetragenen Nebel durchstieß und schließlich auf einem privaten Kommunikationssatelliten von Event Horizon auf einer geostationären Umlaufbahn eintraf. Richtfunk, chiffriert, ultrasicher.
»Bist du da, Teddy?« Die modulierte Frage schoß zum Himmel hinauf, traf auf den synchronisierten Antennenwald des Satelliten, spaltete sich auf wie ein Laserstrahl in einem Facettenspiegel und wurde hinabreflektiert. Zwei Strahlen: Einer traf im Event-Horizon-Hauptquartier in Westwood ein, der zweite in einer weiteren flüchtigen Fünf-Meter-Blase irgendwo in der ungeheuren Leere hinter Greg.
»Wo sonst, zum Teufel?«
In Teddys Schroffheit schwang eine Spur Besorgnis mit, die Greg allmählich auch immer besser im eigenen Tonfall erkannte.
»Heh, erinnerst du dich noch an die Zeit, als man uns für so was bezahlt hat?«
»Yeah. Alles bleibt sich immer scheißgleich. Hat schon damals keinen Spaß gemacht.«
»Stimmt. Okay, ich bin jetzt anderthalb Kilometer vor dem Ostufer und geh’ langsam runter. Morgan? Inzwischen irgendwelcher Flugverkehr im Anmarsch?«
»Negativ, Greg«, sagte Morgan, dessen Stimme gedämpft aus Gregs Kopfhörer kam. »Es gibt etwas Schwenkdüsenaktivität in New Eastfield, aber der Nebel hat neunzig Prozent des üblichen Verkehrs der Stadt zum Erliegen gebracht.«
Wenigstens ein kleiner Grund zur Freude; er brauchte keine Angst zu haben, daß er mit tieffliegenden Maschinen kollidierte. »Roger. Gehe jetzt runter.« Er verlagerte leicht das Gewicht und spürte, wie die Sogrichtung umsprang. Die Nebeldichte blieb gleich. Laut den Erderkundungssatelliten von Event Horizon handelte es sich um eine Bank von neunzig Kilometern Breite, die im Westen fast bis Leicester reichte. Den größten Teil des Nachmittags über hatten sie beobachtet, wie der Nebel von der Nordsee aufstieg. Perfekte Deckung.
Es hatte einen Tag gedauert, den Einsatz vorzubereiten. Natürlich hatte Julia die Polizei hinschicken wollen, ganz legal und offen. Sie hatte nicht richtig kapiert, wem oder was man hier eigentlich gegenüberstand. Jemand – eine Organisation? –, der methodisch zu Werke ging, um auch nur die leiseste Chance auszuschließen, daß irgendeine Frage nach dem Tod eines Mädchens vor zehn Jahren gestellt wurde. Verfolgungswahn oder Verzweiflung – das eine oder andere war bei ihm reichlich vorhanden. Und er scheute auch nicht vor entschiedenen Aktionen zurück, um Gefahrenquellen zu beseitigen.
Sogar in Anbetracht der Tatsache, daß sich das Fernsehen gerade über die Frage der Wiedervereinigung mit Schottland in eine Hysterie hineinsteigerte, hätte eine Polizeiaktion weithin in den Nachrichtensendungen Schlagzeilen gemacht, zumindest wenn sie umfangreich genug war, um einen einzelnen Mann in Walton dingfest zu machen. Die Schwarzhemden hätten dem Einrücken der Polizei Widerstand geleistet; es wäre zu Aufruhr gekommen, Beschuß durch Heckenschützen, und eine Menge Leute wären verletzt worden. Danach war unvermeidlich, daß Informationen hinaussickerten, an vorderster Stelle unter ihnen Julias Name.
Gregs Methode war viel leiser und sicherer. Sie reduzierte das Risiko, bis es sich auf zwei Personen beschränkte.
Er wäre glücklicher gewesen, wenn Eleanor ihn angeschrien oder ein Machtwort gesprochen hätte, ihn als dummen Macho bezeichnet hätte. Wenigstens hätte er dann zurückschimpfen oder Argumente vorbringen und ein bißchen emotionellen Dampf ablassen können. Statt dessen war sie still und traurig geblieben. Was es für ihn nur schwerer machte. Was ihn ganz nervös machte. Was gar nicht gut war.
Gabriel dagegen gab sich beruhigend bissig, was schon ein richtiges Ritual war, denn sie vertraute seiner Intuition fast noch mehr als er selbst. Morgan äußerte offen seine Skepsis hinsichtlich des ganzen Vorhabens. Und selbst Greg mußte einräumen, daß ihm schwerfiel zu erkennen, wie Clarissa Wynnes vage verdächtiger Tod durch Ertrinken mit dem Mord an Kitchener in Zusammenhang stehen könnte.
Da der Kokon aus Nebel wie ein milde Form des Wahrnehmungsentzuges wirkte, waren Gregs Gedanken frei, um noch wildere Möglichkeiten zu sondieren, Phantasieäquivalente von Gabriels Tau-Linien. Aber selbst bei den phantastischeren Optionen, die er sich ausdenken konnte, kam er nicht um die Erinnerung an Nicholas herum, wie er gelassen Kitcheners Schlafzimmer betrat. Vielleicht bezog sich die Unklarheit, die er so stark empfand, auf das Motiv des jungen Mannes? Alle gingen
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