Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
es bleibt Fakt, daß auch das letzte Byte über das Mädchen verschwunden ist. Alles, was wir noch haben, sind persönliche Erinnerungen. Und herzlich wenig davon.«
»Was ist mit den internationalen Nachrichten-Datenbanken?« fragte Colin.
»Ich habe bei Julia nachgefragt«, antwortete Greg. »Sie alle haben natürlich Dateien über Kitchener, aber keine davon erwähnt Clarissa Wynne. Es war eine lokale Angelegenheit, und soweit alle wissen, ein tödlicher Unfall. Nicht wichtig genug. Allerdings denkt man im Büro für Nachrichten und aktuelle Angelegenheiten bei Globecast, daß womöglich eine Netzjockey-Aktion gegen die dortigen Speicherkerne durchgeführt wurde. Etliche Dateicodes zur fraglichen Zeitspanne wurden unleserlich gemacht. Sie können allerdings nicht nachweisen, daß irgend etwas fehlt, und somit kann niemand diese Frage klären.«
»Ich bezweifle ohnehin, daß sie uns helfen könnten«, sagte Eleanor. »Hätte auch nur der geringste Verdacht bestanden, daß Kitchener in den Tod dieses Mädchens verwickelt war, wäre das weltweit eine Schlagzeile gewesen. Ich würde sagen, daß das Vertuschungsmanöver der PSP recht erfolgreich war.«
»Yeah«, räumte Greg ein.
»An dieser Stelle komme ich ins Spiel«, sagte Colin. Ein fröhliches Lächeln lag auf seinem bleichen Gesicht.
Eleanor konnte sich vorstellen, daß er schrecklich dankbar war über diese Aufforderung. Scharf darauf zu beweisen, daß er nach wie vor seinen Beitrag leisten konnte und seine Leute nicht enttäuschte. Nur daß man so schmerzhaft deutlich sehen konnte, wie rasch seine Gesundheit verfiel. Das Herz, vermutete sie.
»Wenn du es schaffst«, sagte Greg und zeigte Eleanor einen betretenen Blick. »Es gibt keinen besseren Spurenleser.«
»Natürlich kann ich es!« entgegnete Colin stolz. »Zum Kartenzimmer geht es den Flur entlang.« Er stemmte sich mit beiden Händen gegen die Sesselarmlehnen, um aufzustehen. Joey Foulkes trat vor, um zu helfen, aber Colin schüttelte den jungen Hardliner ab, eine Geste übertriebener Selbständigkeit.
Das Kartenzimmer war ein schlichter weißer Würfel mit drei Metern Seitenlänge und ohne Fenster. Es erinnerte Eleanor an Kitcheners Computerraum. Sparky durfte nicht mit hinein.
Die Bioleuchttafeln gingen an und zeigten einen runden Flachbildschirm an einer Wand. Ein einzelnes Ware- Modul stand in einer Ecke auf dem Fußboden.
Colin erteilte der Ware mündlich einen Befehl, und eine Karte von England erschien auf dem Flachbildschirm. Er baute sich davor auf, beide Hände auf dem Knauf des Stocks, ließ den Blick an der Karte auf und ab schweifen und nickte zufrieden. »Es geht noch, Greg, ich kann es immer noch machen, bei Gott!« Sein Tonfall war ein schwaches Knurren.
»Deswegen bin ich hergekommen«, sagte Greg. »Du bist der einzige deiner Klasse.«
Eleanor hörte, daß seine Stimme bebte. Als sie ihm in die Augen blickte, waren sie düster vor Schmerz. Sie tastete nach seiner Hand.
»Sprechen Sie zu mir, Keith, mein Junge«, sagte Colin.
Willet zuckte unbehaglich. »Worüber, Sir?«
»Diesen schrecklichen Kerl natürlich, diesen Maurice Knebel. Ich brauche Ihre gedankliche Vorstellung von ihm, um damit zu arbeiten.«
»Sir?«
»Erzählen Sie uns von einem Vorfall, an den Sie sich erinnern«, sagte Greg. »Ein Kricketspiel der Wache, bei dem er abgefangen wurde. Was hat er getragen? Schlechte und gute Angewohnheiten. Was hat er gegessen? Wer waren seine Freunde?«
»Ja, Sir. Nun, es gab da einen Anzug, den er immer getragen hat, etwa um die Zeit, als diese Wynne ums Leben kam, schätze ich. Braun und grau war er, mit Karomuster. Mußte deswegen viel einstecken.«
Eleanor konnte sich zusammenreimen, was der Sergeant andeutete. Es war fast unfair, einen so phlegmatischen und zuverlässigen Menschen dazu zu bringen, daß er triviale Geschichten aus der Vergangenheit preisgab.
Colin war ungewöhnlich still geworden. Sein Blick ging ins Leere, wie es so typisch für Drüsenbenutzer war, wenn sie um neunzig Grad am realen Universum vorbeiblickten.
Der Alte war Major eines Infanterieregiments der englischen Armee gewesen, als die Mindstar Brigade aufgestellt wurde. Er war fünfundfünfzig und stand kurz vor dem Ruhestand, als ihm die im ganzen Militär durchgeführten Psi-Einstufungstests die Ausrede boten, sein geliebtes Offizierspatent verlängern zu lassen. Mindstar hatte zwar ursprünglich nicht vorgehabt, Personen seines Alters zu nehmen, aber seine übersinnliche Weitsicht
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