Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma

Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma

Titel: Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
Vom Netzwerk:
vorbei. Schwarzer Efeu krallte sich an ihrer zerbröckelnden Rinde aufwärts, und trocken spröde Blätter, die wie herzförmige Ascheflocken wirkten, knirschten unter ihren Füßen. Sie umrundete eine Lichtung, und die Prozession der Baumstämme verstellte ihr die Sicht auf die beiden jungen Liebenden im Zentrum. Alles, was sie sah, waren flüchtige Eindrücke, während sich die beiden in Zeitraffersequenzen bewegten. Und sie waren unverheiratet, verhöhnten die Gabe des Lebens mit ihrer beiläufigen Paarung. Ihre Haut war lachsrosa, die verstreuten Kleidungsstücke burgunderrot und ebenholzschwarz. Ein Messer lag schwer in Julias Hand, und seine Klinge leuchtete korallenrot.
    In ihrem Bewußtsein wisperte eine Stimme voll verlockender, dunkler Verheißungen. Gottes Stimme. Seine Stärke durchströmte ihre Glieder.
    Ein Gesicht fügte sich vor ihr zusammen. Ein alter Mann mit strahlenden, lächelnden Augen und dürrem Haar. Höhnische Augen. Schwarze Augen, Lichtschächte. Der Mann starrte in die Hölle und lachte vor Freude über das, was er dort sah.
    Das Flüstern wurde kühner, liebkoste sie.
    Beenden.
    Die Netzknoten schalteten sich mit fast hörbarem Schnalzen ab. Julia holte tief Luft und zitterte heftig.
    »Was ist los?« fragte Morgan scharf.
    »Ich bin okay.« Sie hob die Hände und stellte erstaunt fest, daß sie bebten. »Ich habe mir einige visuelle Routinen des Paradigmas angesehen, mehr nicht. Greg hat recht; es besteht aus Burskens Erinnerungen.« Sie brach ab, dachte an die konfuse Montage zurück. Der frische Regengeruch von dieser Straße hing noch im Konferenzzimmer. Und sie verabscheute diesen Gotteslästerer Edward Kitchener. Empfand eine wilde, primitive Freude darüber, daß er tot war, tot, tot. »Herrgott, er ist kein Mensch!« Sie sah Greg an. »Und du hast die ganze Zeit, die du mit ihm gesprochen hast, in seine Gedanken geblickt?«
    »Das gehört mit dazu.«
    »Igitt!«
    »Damit wäre die Sache klar«, meinte Greg. »Royan, kannst du das Paradigma verstehen?«
    DIE MEISTEN SEKTIONEN SIND ANALOGER NATUR, ABER DA IST AUCH EINE DIGITAL AUFGEBAUTE SEQUENZ.
    »Ist das die Anweisung, Kitchener umzubringen?«
    GIERIG GIERIG GIERIG BIST DU! DIE DIGITALE SEQUENZ IST EINE KOMISCHE SACHE; ICH MUSS ERST EIN ENTSCHLÜSSELUNGSPROGRAMM SCHREIBEN. ICH SAGE ES DIR MORGEN.
    »Okay«, versetzte Greg beiläufig, als machte es ihm nichts aus.
    Lügner! dachte Julia.
    Teddy kam von der Bar herüber und stellte sich neben Greg, eine kleine und massive deutsche Bierflasche in der Hand. Kondenswassertropfen hingen am silbernen und eisblauen Etikett. »Verdammt, Mann, diese ganze Scheiße mit den Paradigmen, die den Beswickjungen zu einem Cyborg gemacht haben, das klingt irgendwie bescheuert, aber ich kaufe es. Aber den Grund hast du uns immer noch nicht genannt. Wie kommt’s, daß dieser MacLennan seinen alten Lehrer kaltmachen wollte? Er ist gut gefahren mit Kitchener. Himmel, hat es zum Spitzenmann auf seinem Gebiet gebracht! Leiter einer erstklassigen Forschungseinrichtung, ein respektierter Mann mit dicker Knete im Hintergrund. Wieso sollte er das alles aufs Spiel setzen?«
    »Die falsche Frage«, sagte Gabriel. Sie lächelte leise, hatte den Kopf an die Lehne zurückgelegt und blickte zur Decke hinauf. »Was du fragen solltest, lautet: Wieso hat MacLennan Clarissa Wynne umgebracht? Das ist der entscheidende Punkt. Nachdem er sie ermordet hatte, mußte er auch Kitchener loswerden; das war unvermeidlich. Er wollte die ruhige Kugel absichern, die er heute schiebt.«
    »Das Neurohormon!« rief Julia, insgeheim erfreut, daß sie Gabriel folgen konnte.
    GUT GEMACHT, SCHNEEGLÖCKCHEN.
    Morgan warf der Kamera einen ironischen Blick zu.
    Gabriel beugte sich auf einmal vor, lehnte die Ellbogen auf den Tisch und musterte Teddy konzentriert. »MacLennan muß gefürchtet haben, daß Kitchener, sobald er das retrospektive Neurohormon perfektioniert hatte, in die Vergangenheit blicken und sehen würde, wie er Clarissa ermordete. Darum erhielt der arme alte Nicholas auch den Befehl, die Bioware zu zerstören, die das Neurohormon produzierte, und den Bendix der Abtei zu löschen. Jede Möglichkeit sollte ausgeschlossen werden, daß jemand zurückblickte. Zum Glück hat er die Ampullen übersehen. Ich schätze, MacLennan konnte einfach nicht alles vorhersehen.«
    »Ich hätte nicht so weit in die Zeit zurückgehen können«, stellte Eleanor fest. »Eine Woche war schon verdammt anstrengend. Elf Jahre wären absolut

Weitere Kostenlose Bücher