Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
Bett hatte man drei Hologrammprojektoren aufgestellt, zwei Meter hohe chromsilberne Pfeiler mit Kristallkolben obendrauf. Optische Kabel schlängelten sich zwischen ihnen über den Fußboden.
Das Bedienungsmodul lag vor dem Fußende des Bettes auf dem Teppich. Denzil hob es auf und warf Eleanor einen besorgten Blick zu. »Ist zwar ein Standardspruch, aber das wird wirklich kein schöner Anblick.«
»Ich schaffe das schon«, sagte sie.
»In Ordnung, aber falls Sie sich übergeben müssen, tun Sie es bitte draußen auf dem Flur; wir mußten schon genug davon von diesem Teppich entfernen.«
Sie bemerkte, daß das nicht scherzhaft gemeint war.
Ein eiförmiges Segment der Luft glitzerte über dem Bett; dann breitete sich der Dunstschleier lautlos aus. Lichtflüßchen tropften von der Matratze auf den Fußboden, und Schlangen wanden sich an den geschnitzten Bettpfosten hinauf. Edward Kitchener erschien auf einem weißen Seidenlaken.
Die Überreste von Edward Kitchener.
Eleanor grunzte erschrocken und kniff die Augen zu. Sie holte ein paarmal Luft. Komm schon, Mädchen, du hast in jedem billigen Horrorfilm schon viel Schlimmeres gesehen.
Aber das war nicht real gewesen.
Beim zweiten Mal war es nicht mehr ganz so schlimm. Sie reagierte eher ungläubig als angeekelt. Was für ein Mensch konnte einem anderen so etwas in aller Ruhe antun? Und es mußte geplant, vorsätzlich geschehen sein, es war nicht das Ergebnis rasenden Herumhackens, sondern mit klinischer Präzision durchgeführt. Eine nekromantische Operation. Hatte die viktorianische Polizei nicht vermutet, daß Jack the Ripper so was wie ein Medizinstudent gewesen war?
Sie sah sich um. Greg hatte in äußerstem Abscheu das Gesicht verzogen und zwang sich dazu, das Hologramm genau zu studieren. Jon Nevin blickte zur Tür, zum Fenster, zur Kommode, überall hin, nur nicht zum Bett.
»Yeah, okay«, sagte Greg. »Das reicht.«
Das von der Projektion erzeugte schwache Aurenleuchten verblaßte an den Wänden. Als Eleanor wieder aufs Bett blickte, war Kitchener verschwunden. Der Atem fuhr ihr zischend durch die Zähne, und die Muskeln lockerten sich. Edward Kitchener hatte nach einem so munteren alten Mann ausgesehen, einem idealisierten Großvater. Barsch im Ton, ein liebevolles Wesen.
»Wie hat man ihn getötet?« wollte Greg wissen.
»Wir glauben, daß er mit einem Kissen erstickt wurde«, sagte Vernon. »An einem davon haben wir Spuren von Speichel gefunden, wobei ihr Schema zu der Annahme paßt, daß jemand es ihm aufs Gesicht gedrückt hat.«
»Womit wurden diese ganzen Verletzungen herbeigeführt?«
»Der Pathologie zufolge mit einem schweren Messer«, sagte Denzil. »Gerade Klinge, dreißig bis vierzig Zentimeter lang.«
»Ein Küchenmesser?«
»Wissen wir nicht. Unten gibt es ganze Schubläden voll davon, einige regelrechte Antiquitäten. Wir haben achtzehn katalogisiert, aber auf keinem davon Blutspuren gefunden. Die Haushälterin kann jedoch nicht mit Sicherheit sagen, ob nicht eines fehlt. Und dann ist da noch die ganze Laborausrüstung plus Technikwerkstatt, in beiden reichlich Schneidgeräte. Mensch, man könnte sogar in der Technikwerkstatt ein Messer herstellen und anschließend sauberwetzen. Wer weiß?«
Greg führte die ganze Versammlung auf den Flur. »Hat der Mörder irgendwelche Spuren hinterlassen?«
»Alles, was wir im Schlafzimmer an Haar- und Hautpartikeln gefunden haben, stammt entweder von Kitchener selbst, den Studenten oder der Haushälterin und ihren zwei Hilfskräften.«
»Was, wenn der Mörder von hier verschwunden ist?« fragte Greg. »Wissen Sie, welchen Weg er genommen hat? Etwas von Kitcheners Blut oder Körperflüssigkeiten muß doch irgendwo verschmiert worden sein.«
»Nein, ist nicht geschehen«, antwortete Denzil mit einer Spur Niedergeschlagenheit. »Die beiden letzten Tage haben wir komplett hier im Korridor verbracht und Wände und Teppich mit einem Lichtverstärker abgesucht; der war mit einem Lightware-Superrechner verbunden, auf dem ein spektrographisches Analyseprogramm lief – das Innenministerium hat uns dafür einen speziellen Etat zur Verfügung gestellt. Auf dem Teppich, auf dem wir hier stehen, haben wir Flecken von Wein, Gin, Whisky und Reinigungsmitteln gefunden, Haare, Haar- und Hautschuppen, Gummi und Kunststoff von Schuhen, eine Menge Baumwollfäden von Jeans. Was Sie sich nur denken können. Aber kein Blut, keine Körperflüssigkeit, nicht von Kitchener. Wer immer das war, er hat sich große
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