Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
Häuser, Maschinen, Möbel, den Boden, die Menschen. Aber nicht immer. Es gibt … Unterschiede. Zusätze. Erinnerungen an Objekte; Phantasmen, vermute ich.
Und ich nehme auch Bewußtsein wahr. Getrennt vom Körper. Gedanken leuchten, wie Sternennebel mit einem im Zentrum verborgenen Superriesenstern.
Die Abwesenheit verschwand wieder aus seinem Gesicht. Er warf einen letzten Blick auf den See, strich sich dabei mit den Fingern übers Kinn und zeigte einen leicht verdutzten Ausdruck.
»Was hast du gesehen?« fragte Eleanor, als er wieder auf dem Beifahrersitz saß. Seine Intuition war fast so stark wie seine Empathie. Als sie sich zum erstenmal das Bauernhaus auf der Halbinsel Hambleton angesehen hatten, hatte er sie plötzlich gepackt, als sie eines der kleinen Schlafzimmer im Obergeschoß betreten wollte. Er konnte ihr keinen Grund nennen, wollte nur nicht, daß sie hineinging. Als sie dann den Raum gründlich unter die Lupe nahmen, stellten sie fest, daß ein ganzer Abschnitt der Bohlen vor der Tür wurmzerfressen war. Wäre sie einfach hineinspaziert, wäre sie glatt durchgebrochen.
»Bin mir nicht sicher«, sagte er.
Der Streifenwagen kam hinter ihnen mühselig die Straße herauf. Eleanor fuhr los und nahm Kurs auf den dritten See. Die ersten Tröpfchen Nieselregen streiften die Windschutzscheibe.
»Eine Microlight-Landestelle?« fragte sie.
»Nein.«
Amanda bedachte sie von der Rückbank aus mit einem leicht verwirrten Blick.
Der dritte See war eine etwas größere Version des zweiten. Eleanor erblickte die Ruinen eines kleinen Backsteinhauses auf halber Höhe der Erdböschung am gegenüberliegenden Ufer. Sie hielt es für einen alten Eiskeller. Ein Schwarm Kanadagänse graste an den dicken Büscheln des schilfigen Grases, das am Ufer gedieh.
»Ich bin mir sicher, daß ich schon mal etwas über Launde Abbey gelesen habe«, sagte Greg. »Vielleicht waren es aber auch Fernsehnachrichten.«
»Ich erinnere mich an nichts«, stellte Eleanor fest.
»Es liegt ein paar Jahre zurück, denke ich. Sieben oder acht, vielleicht mehr.« Er klang nicht besonders überzeugt. »Was ist mit Ihnen, Amanda? Ist es hier oben schon mal zu Zwischenfällen gekommen?«
»Nein, nicht, daß ich wüßte.«
»Was für Zwischenfälle?« fragte Eleanor.
Er zeigte ihr ein beschämtes Lächeln. »Ich weiß nicht mehr. War jedenfalls entschieden nachrichtenwürdig.«
»Und hat es etwas mit dem Mord an Kitchener zu tun?« erkundigte sie sich.
»Weiß der Himmel! Ich bezweifle es, nach der langen Zeit.«
Launde Abbey lag hundertfünfzig Meter hinter dem dritten See in einem breiten, geschwungenen Becken, das in die Talflanke gemeißelt zu sein schien. Ein Holzzaun markierte die Grenze zum Park. Der EMC Ranger klapperte über ein Viehtor hinweg, und das Gras nahm wie durch Zauberei wieder das zottige, intensive Grün an. Große schwarze Baumstümpfe standen verstreut in der Gegend, jeder mit einem neuen Schößling in Gesellschaft – mit Kaurifichten, riesigen Goldblatt-Kastanien, Torreyas –, gesunder Ersatz, der sich in der Hitze sonnte und den Park in den ursprünglichen Zustand der ländlichen Idylle zurückversetzte. Unter den Reifen tauchte wieder Asphalt auf. Eleanor bog von der Straße ab, die hinter der Kuppe des Beckens verschwand, und fuhr die Schleife der Einfahrt hinunter zur Abtei.
Was sie sah, enttäuschte sie ein wenig. Sie hatte mit einem großen mittelalterlichen Kloster gerechnet, ganz Ecktürme und Strebebögen; die Wirklichkeit jedoch bestand aus einem dreistöckigen elisabethanischen Landhaus aus ockerfarbenen Steinen, mit breiter Front und daraus hervorragenden Flügeln. Das Dach aus graublauem Schiefer war von fünf Giebeln durchbrochen, und eine Reihe von Solarzellen bedeckte den Dachfirst. Aus jedem der Flügel ragte eine Reihe von Schornsteinen hervor; drei cremeweiße Kugeln hockten zwischen den Schornsteinen des Südflügels: Wetterabdeckungen für die Satellitenschüsseln. Kletterrosen überwucherten das Mauerwerk rings um die Veranda; scharlachrote und gelbe Blüten hingen vom Gewicht des aufgesaugten Wassers herunter, und ihre Blätter vermoderten.
Hinter dem Gebäude ragte ein Wäldchen aus hochgeschossenen Kiefern auf, von denen die meisten die Erwärmung überlebt hatten. Ihre gelichteten Reihen waren mit neuen Banyanbäumen aufgefüllt worden.
Zwei nicht gekennzeichnete weiße Lieferwagen und ein Streifenwagen parkten draußen; sie gehörten dem Tatortteam der Polizei, das die Abtei seit
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