Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
mitfühlend.«
»War das eine der Gelegenheiten, zu denen Sie Syntho genommen haben?«
»Ja«, flüsterte sie.
»Weiß Uri davon?«
»Nein.« Sie senkte den Kopf. »Sie sagen es ihm doch nicht, oder?«
»Diese Gespräche sind streng vertraulich«, sagte Greg. »Er braucht es nicht zu erfahren.«
Sie stand langsam auf und akzeptierte anmutig Lancasters hilfreiche Hand. »Wissen Sie schon, wer es war?« fragte sie.
»Nein, bislang nicht.«
Isabel Spalvas sah so müde aus, wie Greg sich fühlte. Sie trug eine Jeans und ein zu weites malvenfarbenes Sweatshirt. Das krause Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ihr Gesicht war wunderbar zierlich. Unter normalen Umständen war sie bestimmt sehr attraktiv, vermutete Greg, aber heute sah sie bleich, fast grau aus. Vom Weinen hatte sie rote Ringe unter den Augen, und die schmalen Lippen waren an den Mundwinkeln traurig nach unten gezogen. Sie bewegte sich teilnahmslos, als sie eintrat und sich setzte, und zeigte kein echtes Interesse an den Vorgängen. Matthew Slater nahm mit angemessen besorgter Miene hinter ihr Platz.
Greg spürte, wie ernst ihre Depressionen waren, ein trostloser Schmerz, der durch jeden Gedanken hindurchschimmerte. Von den Studenten, die Greg bislang kennengelernt hatte, litt sie eindeutig am stärksten unter dem Mord. Er würde glatt so weit gehen, sie als traumatisiert zu bezeichnen.
»Soweit ich verstanden habe, haben Sie gelegentlich Edward Kitchener aufgesucht«, sagte Greg feinfühlig, sobald Langley die Videoaufnahme gestartet hatte.
Sie nickte apathisch.
»Waren Sie am fraglichen Abend bei ihm?«
Erneut nickte sie.
»Wann haben Sie ihn aufgesucht?«
»Um Viertel nach eins.«
»Bis wann?«
»Halb drei.«
»Sie haben also Uns Zimmer um Mitternacht herum verlassen und sind dann in Ihrem eigenen Zimmer geblieben, bis Rosette eintraf, richtig?«
»Ja.«
»Um wieviel Uhr ist sie gekommen?«
»Um halb eins, denke ich. Sie war vorher bei Cecil auf dem Zimmer. Wir haben uns eine Zeitlang unterhalten und uns dann für Edward umgezogen. Mit Rosette kann man richtig Spaß haben, wenn sie entspannt ist, wenn sie nichts beweisen muß. Machen Sie sich möglichst keinen falschen Eindruck von ihr; das meiste an ihrer Haltung ist aufgesetzt. Sie kann einfach nicht anders.«
»Haben Sie irgend jemand anderen in der Abtei gesehen, als Sie Kitcheners Raum verließen?«
»Nein.«
»Haben Sie irgendwas Seltsames gehört?«
»Nein.«
»Was war mit Licht? Hat welches unter irgendeiner Tür durchgeschimmert? War unten was zu sehen oder gar draußen?«
»Nein. Oh, in Uris Zimmer war ein bißchen Licht. Bläulich. Ich denke, es könnte der laufende Flachbildschirm gewesen sein. Wir hatten vorher dort ferngesehen.«
»Sie haben am fraglichen Abend Syntho genommen. War die Wirkung bis dahin abgeklungen?«
»Nicht ganz; sie ließ gerade erst nach. Ich bin …« Sie holte Luft und blickte dann konzentriert zu Boden. »Ich bin nicht gerne dort drin, wenn sich der Rausch gelegt hat.«
»In Kitcheners Schlafzimmer?«
»Ja.«
»Wieso nicht?«
»Mir wird kalt. Nicht körperlich, aber es fällt mir schwer, ihnen danach ins Gesicht zu blicken. Wir werden gemeinsam so high, verstehen Sie? Soweit es Sex angeht, haben Edward und Rosette ganze Lebensalter mehr Erfahrung als ich; sie brachten mich dazu, in ihrer Gesellschaft ganz loszulassen. Wie ein Kind, das einem Erwachsenen vertraut. Sein Schlafzimmer war unser privates Universum; wir waren dort sicher. Nichts spielte eine Rolle, abgesehen von uns selbst und unseren Wünschen. Aber danach verschwand die Illusion immer so schnell. Und diese schäbige alte Welt mit ihren eingebauten Schuldgefühlen flutete wieder herein.« Sie zupfte an einer Haarsträhne und wickelte sie nervös immer wieder um den Zeigefinger. »Sie müssen mich für abscheulich halten.«
»Ich bin kein Richter, Isabel. Ihr Sexleben ist Ihre eigene Sache. Aber bitte, ich wüßte gerne, warum Sie angefangen haben, Kitchener aufzusuchen.«
»Rosette war der Grund. Na ja, zu Anfang waren es nur Anspielungen. Scherze. Dann … ich weiß nicht. Irgendwie war es kein Scherz mehr. Und dann bin ich zu Weihnachten nach Hause gefahren. War auch okay so, halt zur Familie. Nur erwies es sich diesmal als blasse Erfahrung, gehaltlos; ich habe einfach die Routine abgespult. In der Abtei, bei Edward, haben wir soviel gelernt – wie man denkt, wie man Fragen stellt. Es wirkte viel realer. Farbe, das war es, was Launde hatte. Ich war froh,
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