Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
ziemlich der einzige Mensch, für den ich Edward aufgegeben hätte. Ich habe nachgesehen, als ich aus Edwards Zimmer kam, aber bei Nick war das Licht aus. Und es wäre sowieso nicht recht gewesen, praktisch gleich im Anschluß bei ihm reinzuplatzen. Das hätte so ausgesehen, als hätte Edward für mich die totale Priorität. Aber andererseits …«
»Bei Nicholas Beswick brannte also um zwei Uhr dreißig das Licht nicht? Sind Sie sich dessen sicher?«
»Ja.«
»Wann haben Sie sich an diesem Abend gewaschen?«
»Ich habe geduscht, ehe ich anfing, das Abendessen zuzubereiten, und dann noch einmal, als ich von Edward kam.«
»Haben Sie am Donnerstag den Bendix überhaupt benutzt?«
»Ja, für den größten Teil des Nachmittags.«
»Hatten Sie Zugriff auf irgendwelche externen Ware- Systeme?«
»Nein.«
Die letzte Frage verschwand hinter dem oberen Rand des kleinen Cybofax-Monitors.
Greg fiel keine weitere mehr ein. Isabel sah schon so aus, als hätte er die Antworten körperlich aus ihr herausgequetscht.
Draußen regnete es wieder; dicke warme Tropfen trommelten unaufhörlich an das hohe Fenster.
»Okay«, wandte er sich an Vernon. »Rufen wir jetzt Nicholas Beswick herein.«
Kapitel acht
In Peterborough regnete es wieder. Wetterleuchten durchzog brutzelnd die niedrige Wolkendecke und hob die neuen Turmblocks hervor, die auf dem höheren Gelände im Westen aufragten – schmucklose Monolithen, die auf das organische Durcheinander der kleineren Gebäude in den ursprünglichen Stadtbezirken hinabblickten.
Julia verabscheute es, im Gewitter zu fliegen. Ihre Dornier-Schwenkdüsenmaschine verfügte vielleicht über jedes nur existierende Sicherheitssystem, wirkte aber trotzdem so unbedeutend im Vergleich zu den Gewalten da draußen.
Ein weiterer Blitz zuckte über die Stadt hinweg. Die glänzenden Solarzellen auf den Dächern reflektierten ihn teilweise und erzeugten dadurch winzige purpurne Blendflecken auf Julias Netzhäuten. Sie hatte das Event-Horizon-Hauptquartier direkt voraus gesehen, einen siebzehnstöckigen Würfel aus Glas, Stahl und Kompositplatten. Er hatte nichts Elegantes an sich, war in sechsundzwanzig hektischen Monaten hochgezogen worden, um sowohl die Scharen zentraler Datenmischer aufzunehmen, die man brauchte, um ein Unternehmen von den Ausmaßen von Event Horizon zu führen, als auch Morgans Sicherheitspersonal. Ein Monument der Eile und der Funktionalität. Sein Ersatz draußen bei Prior’s Fen würde weit ästhetischer ausfallen; die Architekten hatten einen weißen und goldenen Zylinder ausgetüftelt, der mit seiner Rüstung aus Säulen und Bögen dem Schiefen Turm von Pisa ähnelte. Diesmal allerdings aufrecht. Event Horizon baute nicht schief.
Julia goß sich gekühltes Mineralwasser aus der Bar ein, schaltete den Rachbildschirm am vorderen Schott ein und zappte durch die Kanäle, bis sie den des Senders Nordwesteuropa fand. Jakki Coleman war auf Sendung, eine Frau in mittleren Jahren mit gußeiserner, goldblonder Frisur und einer modischen, pfefferminzgrünen Satinjacke. Sie saß im luxuriösen Arbeitszimmer irgendeiner Villa an einem florentinischen Schreibtisch.
Julia grinste vor lauter Vorfreude, als sie es sich auf dem weißen Ledersofa bequem machte und die Füße auf den Sessel gegenüber legte. Jakki Coleman war die Königin der Klatschsendungen; Rockstars, Fernsehstars, Aristokraten, berühmte Vertreter der Sportwelt, Politiker – für alle hielt sie boshafte Bemerkungen bereit.
»Pauline Harrington, die streng katholische Sängerin, scheint ihre religiösen Bedenken verlegt zu haben«, sagte Jakki in ihrem starken, schnurrenden französischen Akzent. »Wenigstens für dieses Wochenende. Denn wen sehe ich da, wenn nicht die phantastische Pauline, in der laufenden Woche mit ›My Real Man‹ auf Platz fünf der White-Soul-Charts, mit keinem geringeren als Keran Bennion, der Nummer eins unter den Fahrern des Porscheteams.«
Ein Bild von Pauline und Keran wurde eingeblendet, die auf dem Gelände eines Landhotels spazierengingen, irgendwo, wo die Sonne schien. Sie hielten sich an den Händen und nahmen keine Notiz von den Fontänen, die ringsherum in steingesäumten Teichen sprudelten, im Hintergrund Büsche, die mit großen, rötlich-orangenen Blüten prunkten. Die Aufnahme war offenkundig mit einem Teleobjektiv gemacht worden; die Umrisse wirkten leicht verschwommen.
»Vielleicht hat Kerans Frau ihn geschickt, damit er Gesangsstunden nimmt«, deutete Jakki
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