Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Colonel Maitland hatte eine Menge Kratzer hinterlassen, und noch nicht alle Hautsiegel waren schon wieder abgeblättert.
Sie bezahlte mit der neuen Amex und nahm als letzten Einfall noch eine Ferranti-Sonnenbrille hinzu. Der grauenhafte Bordanzug wanderte in eine Toskatüte, und sie nahm ihn mit hinaus in die Passage, widerstand der Versuchung, ihn einfach zurückzulassen.
Draußen warf sie einen sehnsüchtigen Blick zum Arden-Salon hinüber und wünschte sich, sie hätte die Zeit gehabt, etwas mit den Haaren zu machen; der Schutzhelm hatte die Frisur total erledigt. Morgen, versprach sie sich.
Es war zehn nach drei, als Charlotte wieder ihr Zimmer in der Gouverneursresidenz betrat. Suzis Zimmer grenzte daran an, und auf der gegenüberliegenden Seite das von Rick Parnell. Zum Glück war niemand da, der sie gesehen hätte. Zwar hatte Greg ihr nicht verboten auszugehen, aber irgendwie hatte sie ihn so verstanden. Als sich die Tür hinter Teresa Farrow schloß, hatte Charlotte ein Gefühl, wie sie es früher erlebt hatte, wenn sie sich aus dem Waisenhaus stahl, eine schwindelerregende Erleichterung.
Das Zimmer hatte schwarze und grüne Wände mit einem kunstvollen Dschungeldruck; die skandinavischen Möbel bestanden aus Redwood und waren nicht lackiert, so daß sie eine urwüchsige Atmosphäre verbreiteten. Die Paradiesvögel in dem großen weißen Käfig an der Balkontür brachen in wildes Kreischen aus.
Charlotte warf ihnen eine Kußhand zu und hob die Schultertasche vom Bett auf. »Ich mache mich nur ein bißchen sauber«, erklärte sie Teresa Farrow und verschwand im Bad.
Sie war unschlüssig, ob sie Fabian anrufen sollte. Sie hatte das Gefühl, ihn auszunutzen, seine Trauer absichtlich zu mißbrauchen, nur um selbst Rache zu üben. Aber als sie vorgeschlagen hatte, die Rechnung mit der Dolgoprudnensky zu begleichen, als sie beide allein in ihrem Zimmer saßen, im Krankenhaus der Plattform, da hatte sie erlebt, wie dieser unbekümmerte Funke zurückkehrte. Die Aussicht auf Vergeltung hatte ihn neu belebt. Das war nicht die Art Hoffnung, die sie bei ihm besonders gern sah, aber es war immerhin eine Hoffnung. Und sein Superrechnerhirn heckte in rascher Folge mehrere mögliche Szenarien aus. Charlotte steuerte eigene Vorschläge bei und half damit, die Idee zu verfeinern und sie zurechtzuschleifen. Aber jetzt, wo die Zeit gekommen war, sich wirklich festzulegen, meldeten sich Zweifel.
Kein Schlachtplan übersteht je den ersten Feindkontakt. Mehr als nur einer ihrer Kunden hatte ihr das erklärt; erstaunlich, wie viele davon ehemalige Militärs gewesen waren. Und diese Sache war nichts, womit Fabian und sie je eine zweite Chance kriegen würden. Es mußte beim erstenmal klappen. Es war riskant.
Charlotte hob die Hand; der Bioware-Verband sah wie ein zweifingriger, fleischfarbener Handschuh aus; darunter spürte sie ein ständiges warmes Jucken. Nein, sie konnte nicht vergessen, was Nia Korovilla getan hatte, was ihr befohlen worden war und von wem.
Sie klappte den Toilettensitz herunter, setzte sich darauf und öffnete den Reißverschluß der Schultertasche. Unter der Jeans und dem ordentlich zusammengefalteten Sweatshirt mit Organischer Flußeigenschaft steckte das goldene Amstrad-Cybofax. Der Himmel allein wußte, wie das Mikroplättchen beim Herumrennen an Bord der Colonel Maitland in der Tasche der Shorts geblieben war, aber es war da, das einzige unter den verbliebenen Habseligkeiten, das wirklich ihr gehörte.
Sie tippte Fabians persönliche Rufnummer ein und startete das Chiffrierprogramm. Störungen summten auf dem Monitor des Amstrads, und dann stabilisierte sich Fabians Gesicht. Er lächelte nervös.
»Mensch, Charlotte, ich dachte, du würdest überhaupt nicht mehr anrufen! Die Anastasia hat vor einer Stunde angedockt.«
»Ich war beschäftigt.«
»Irgendeine Spur von dem Außerirdischen?«
»Nein, keine. In einer Viertelstunde ziehen wir los, um meinen Himmlischen Priester zu suchen.«
»Oh. Na ja, viel Glück.«
»Danke.«
»Werden wir es machen?«
»Ja, Fabian, wir machen es.«
»Super! Schalte auf Konferenzmodus und ruf Kirilow an. Hast du die Nummer noch?«
»Ja«, sagte sie leicht verärgert.
Sie rief die Nummer, die er ihr gegeben hatte, aus dem Speicher des Cybofax ab und übertrug sie in die Telefonschaltung. Der Amstradmonitor teilte sich in zwei Ausschnitte, auf der einen Seite Fabian, während die andere leer blieb.
»Ja?« fragte eine männliche Stimme mit starkem
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