Mindstar 03 - Die Nano-Blume

gefolgt.
    Sie gingen etwa zweihundert Meter weiter. An einer Stelle liefen Wände und Boden aufeinander zu und zwangen sie, fünf Meter weit auf allen Vieren zu kriechen. Dann meldete Carlos, daß seine Sensoren weiter voraus magnetische Muster orteten.
    »Können Sie sie identifizieren?« fragte Greg.
    »Es ist eine einzelne Struktur, die mehrere Prozessoren, Stromkreise und eine Art Gigaleiterzelle enthält.«
    »Die Drohne«, meinte Greg.
    »Möglicherweise.«
    Sie wartete in der nächsten Höhle auf sie. Ein mattorangefarbener rechteckiger Kasten mit keilförmiger Front, alles in allem anderthalb Meter lang, siebzig Zentimeter breit. An jeder Ecke saß ein Sensorenbündel, und an den Seiten waren zwei mattschwarze Teleskoparme zusammengefaltet. Greg erkannte an einer Seite, zur Rückseite des Geräts hin, ein kleines Dreieck mit fliegendem V.
    »Die Sensoren sind eingeschaltet«, sagte Carlos. »Sie sieht uns.«
    »Irgendwelche Datensendungen?«
    »Ja.«
    »Hallo, Schneeglöckchen«, sagte der Roboter. Es war wirklich Royans Stimme oder zumindest eine ganz gute synthetische Version.
    Julia stieß ein gedämpftes Keuchen aus. Starke Gefühle flackerten in ihr auf – Zorn, aber vor allem Sorge.
    »Greg, danke, daß du gekommen bist«, sagte Royan. »Ich wußte, daß du mich nicht im Stich lassen würdest. Das tust du nie. War auch gute Arbeit. Die Alternative wäre in jeder Hinsicht gräßlich gewesen.«
    »Welche Alternative?« fragte Greg.
    »Clifford Jepson.«
    »Dann weißt du also wirklich über die atomare Strukturierung Bescheid«, sagte Julia.
    »Ja. Sowas gibt es aber nicht.«
    »Was?«
    »Ich habe dir eine Menge zu sagen und viel zu zeigen. Und du wirst mir nicht dankbar sein, Schneeglöckchen. Nicht für das, was ich getan habe. Tut mir leid.«
     
    Die sechs unabhängig gefederten Reifen des Roboters wurden leicht mit dem hubbeligen Boden fertig. Greg und Julia folgten ihm, und die anderen waren ihnen dicht auf den Fersen. Greg war sich schmerzlich der widerstreitenden Gedankenströme von Julia bewußt: Schuldgefühl, Erleichterung und dieser gleichmäßige glühende Faden des Zorns, so fest komprimiert, daß es beinahe schon Haß war. Die Kehrseite der Liebe. Er wußte, daß er nichts dazu sagen konnte. Damit mußten die beiden selbst klarkommen.
    Und er mochte sie beide; er und Eleanor, Julia und Royan, sie alle hatten die Hölle und goldene Tage gemeinsam durchgemacht. Das jetzt war nicht exakt die glückliche Wiedervereinigung, die er zu Beginn erwartet hatte.
    Sie kamen um eine Ecke und erblickten blaugrünes Licht am Ende des Gangs. Die Luft war hier viel wärmer. Lange Zungen von Pilzbewuchs, mit einer weißlichen Schicht überzogen, tasteten sich über die Gangwände. Es war kein echter Pilz, entschied Greg, als sie die ersten Ausläufer dieser Kruste erreichten; sie war zu feucht und zu massiv.
    »Ist das deine Aussaatpflanze?« fragte Greg den Roboter.
    »Eine Version davon. Mit ihrer inneren Struktur war ich ziemlich erfolgreich. Sie ist flexibel und wächst schnell, funktioniert aber nicht im Vakuum. Ich hatte mir überlegt, mit ihrer Hilfe Wohnunterkünfte aus dem Gestein zu bohren, ähnlich denen im Komplex der südlichen Abschlußwand.«
    Die Höhle, in die der Gang führte, war eine perfekte Halbkugel, vollständig von der Pflanze überwuchert. Fünf in gleichen Abständen aufeinanderfolgende, halbkreisförmige Torbögen führten hinaus. Auf Hüfthöhe ragte eine Reihe knollenförmiger Huckel aus der Wand und verbreitete ein weiches Licht. Als Greg die Wand berührte, spürte er, wie der Pflanzenbewuchs unter dem Finger leicht nachgab; die Beschaffenheit erinnerte an eine harte Gummimatte, und doch wirkte sie auf den ersten Blick wie ein Polyp, zeichnete sich durch das gleiche kristalline Funkeln aus. Etwas befand sich also noch in der Lücke zwischen Pflanze und Mineral.
    Es verbreitete die ungewöhnlichste übersinnliche Essenz. Ein Empfinden des Wartens. Endlosen, ewigen Wartens. Greg spürte hier ein Alter, neben dem die Jahrhunderte menschlicher Geschichte flüchtig und unbedeutend wirkten.
    »Wann hast du das gezüchtet?« fragte er.
    »Vor etwa vierzehn Tagen.«
    Da erkannte er es wieder: Die Affinität mit der ursprünglichen Mikrobe, die in gefrorener Stase durch die halbe Galaxis trieb. Eine zweite Ewigkeit lang den Jupiter umkreiste, ein über jedes Durchhaltevermögen hinaus ausgedehntes Leben.
    Greg zitterte in dem Verteileranzug.
    Die Drohne zockelte direkt in einen der