Mindstar 03 - Die Nano-Blume
so xenophobisch?«
»Das Hexaemeron hätte Sie rufen sollen, Rick«, meinte Royan. »Vertrauensselig und naiv. Es gibt kein Problem, das man nicht lösen kann, indem man sich an einen Tisch setzt und vernünftig miteinander redet. Stimmt’s, Rick? Ich kann es nicht freisetzen. Schließlich muß man an die dritte Stufe denken.«
»Die Blume«, sagte Greg automatisch.
»Das stimmt«, bestätigte Royan. »Das Hexaemeron kann die eigenen Gene bearbeiten und entscheiden, welche Ringsequenzen es aktiviert. Verstehen Sie jetzt, Rick? Wieso ich es das Hexaemeron nenne? Die außerirdische Gensphäre ist deshalb so groß, verglichen mit der terrestrischen DNA, weil die Schalen die genetischen Codes von über sechstausend verschiedenen Arten enthalten – Pflanzen, Insekten, Tieren, empfindungsfähigen Kreaturen. Überlebenden des Endspiels, das das Leben ausgetragen hat. Das Hexaemeron ist ein Zwischenstadium, eine künstliche Hebamme. Sich selbst überlassen, kann es die Ökologie eines ganzen Planeten erzeugen. Das ist sein einziger Zweck; dazu wurde es konstruiert. Wo würden Sie es unterbringen, Rick? Wo würden Sie es freisetzen, damit es sich fortpflanzen kann? Auf der Erde? Vielleicht in Cambridge? Auf dem Mars? Wenn Sie es auf den Mars bringen, was passiert in tausend Jahren, sobald der Planet biogeformt wurde? Wenn den Außerirdischen der Expansionsraum ausgeht? Und das wird passieren, Rick. Ihr Metabolismus ist um mehrere Größenordnungen höher entwickelt als unserer, effizient, stark, machtvoll. Wir hätten keine Chance, Rick.«
Greg gefielen die Implikationen nicht, die aus seinem Unterbewußtsein aufstiegen. Schreckensbilder aus jedem drittklassigen Horrorfilm im Fernsehen, den er je gesehen hatte. Royans tapfere Überzeugung verstärkte seinen eigenen Verfolgungswahn. Als er sich die nebulösen Gedanken des Hexaemerons ansah, fand er nur kühle Gelassenheit. Vor langer Zeit, als Philip Evans’ Gedanken in den NN-Kern übertragen worden waren, hatte Greg versucht, das neue Biowarewesen mit der außersinnlichen Wahrnehmung zu untersuchen. Damals hatte er die gleiche beherrschte Unnahbarkeit vorgefunden, eine Unfähigkeit, sich innerlich zu beteiligen, jedenfalls emotionell. Probleme waren abstrakte Größen. Er war sich nicht sicher, ob man das Hexaemeron als Lebewesen betrachten konnte.
»Falls es dazu gekommen wäre«, sagte Greg langsam, »daß Clifford Jepsons Leute euch zuerst erreicht hätten – sicher hättest du die Gammaminen dann sowieso gezündet. Ich meine, Jepsons Leute würden dich umbringen, um das Hexaemeron freizusetzen, also könntest du es mit Hilfe der Minen wenigstens mitnehmen, und einige von denen.«
»Vielleicht. Das ist einer der Gründe, warum ich verdammt froh bin, daß du und Schneeglöckchen als erste hergefunden haben. Siehst du, man braucht wirklich nur eine einzige Zelle, nein, eine komplette Gensphäre, und die ganze Sache fängt von vorne an. Das müßt ihr euch klarmachen, ehe ihr eure Entscheidung fällt.«
»Entscheidung?« fragte Julia in dumpfem Tonfall.
»Ja, Schneeglöckchen. Es heißt alles oder nichts. Falls du dich gegen das Hexaemeron entscheidest, dann muß die gesamte Aussaatpflanze vernichtet werden. Jede Zelle und Mikrobe. Falls nicht, würde das Hexaemeron eines Tages wiedererweckt. Vielleicht nicht absichtlich, aber es würde geschehen. Deswegen sind die Gammaminen das letzte Mittel; sie würden das Problem nicht lösen, nur seine unmittelbarsten Auswirkungen. Natürlich hatte ich gehofft, falls ich sie auslösen würde, daß du dir die Frage stelltest, wieso ich mich dazu verpflichtet gefühlt hatte. Dann wärest du viel vorsichtiger gewesen, was die übriggebliebenen Zellen der Aussaatpflanze anging. Schließlich war es nur meine eigene Dummheit, diese Ein-Mann-Nummer durchzuziehen, die alle überhaupt erst in eine so groteske Situation gebracht hat.«
»Ja«, sagte Julia schleppend.
Das war nicht die Antwort, die Royan sich gewünscht hatte. Er war auf Mitgefühl aus. Greg spürte, wie sein Schmerz anstieg.
Abrupt drang eine weitere mentale Stimme in sein Bewußtsein, ein Schrei des Schmerzes und der Wut, vergiftet vom Schock. Suzi.
Kapitel neununddreißig
Suzi sah, wie die Felswand vorstürzte und sich dann in tausend herumfliegende Brocken auflöste. Die Wasserwoge, die ihr folgte, hielt zusammen, bis sie den halben Weg durch die Dorfhöhle zurückgelegt hatte. Suzi warf sich zu Boden, sobald sie die erste Regung spürte, und
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