Mindstar 03 - Die Nano-Blume
packte den Rand der Spalte. Der Lichtverstärker vermittelte ihr einen kurzen Eindruck der Trümmer, die vom vorderen Rand der Welle hochgerissen wurden, eine Linie aus Schaum, Steinen, Muskelpanzeranzügen, versengten jungen Bäumen sowie verbrannten Resten der Hütten und ihrer Einrichtung; all das stürzte mit erschreckender Schnelligkeit auf Suzi zu.
Die Woge prallte auf, blendete die Sensoren. Suzi fand sich plötzlich auf erschreckende Weise in einer gepolsterten eisernen Jungfrau eingesperrt, unfähig zu sehen, unfähig zu fühlen, unfähig zu hören. Etwas Massives stürzte mit einem stark gedämpften dumpfen Schlag auf sie. Der Anzug verlagerte leicht seine Position. Gelbe und grüne Graphiken tauchten auf, ein Umriß der Panzerung, zeigten ihr den Schaden an der linken Seite, wo die Metallokeramik durch den Aufschlag geschwächt worden war, wo sie eine Delle erlitten hatte und ein Teil der Brustmuskelbänder ausgefallen waren. Suzis Implantat leitete eine Prüfung des Systemzustandes ein. Sie klammerte sich an den Einzelheiten fest, bekämpfte damit die klaustrophobische Panik, die in ihrem Hinterkopf ausbrach.
Eine Uhr zählte unter den Umrissen der Panzerung die Sekunden ab. Fünf Sekunden bislang; nein, so kurz konnte es nicht gedauert haben. Mindestens eine Minute.
Sie spürte eine Bewegung, etwas, das unter ihren Armen nachgab. Es entwickelte sich zu einem ausgewachsenen Erdrutsch. Das Gestein rings um die Spaltenmündung brach zusammen. Suzi verlor den Halt.
Instinktiv hätte sie sich am liebsten zusammengerollt und den Kopf an der Brust versteckt, aber die Panzerung verhinderte das. Also beugte sie die Knie, soweit es die Muskelkontaktbänder erlaubten, und verschränkte die Arme vor der Brust.
Das Display des Trägheitsleitsystems zeigte ihr, daß es auf und nieder rückwärts durch die Spalte ging; Aufschläge erschütterten Suzis Zähne und ihr Rückgrat. Die Bilder des Lichtverstärkers wurden dunkelgrau, als wäre sie in einen Nebel gehüllt, wie er der Morgendämmerung voraufging; blaue Blitze mischten sich hinein und dunkelrote Streifen, als das Wasser um sie herumbrodelte.
Sie prallte an eine Ecke und kam zum Stehen, und der Wasserspiegel sank ringsherum. Das eisige, schwarze Wasser war glatt und strömte schnell. Suzi kämpfte gegen die Strömung, versuchte es auf allen Vieren. Wasser rieselte innerhalb der Muskelkontaktbänder am linken Bein entlang.
Die Ware der Panzerung spuckte in rascher Folge Statusgraphiken aus. Suzi hustete, spürte eine saure, cremige Flüssigkeit in der Kehle. Scharfe Schmerzstiche in der Brust machten es ihr unmöglich, sich auf irgendeine der Graphiken zu konzentrieren. Ihr Knie tobte mörderisch; der Biowareverband mußte zerrissen sein, überlegte sie.
»Meldet euch«, sagte Melvyn.
Eine Reihe von Antworten erfolgte, Namen und Flüche.
»Suzi?«
»Yeah, hier, Melvyn.«
»Okay, alle in die Dorfhöhle. Es waren immer noch ein paar Teksöldner übrig.«
Suzi rappelte sich auf. In der Spalte war nur sehr wenig Licht. Die Infrarotstrahler am Helm sprangen an und zeigten etwa fünf Zentimeter Wasser, die um ihre Knöchel rauschten. Wohin zum Teufel waren die ganzen Fluten verschwunden? Es hatte so ausgesehen, als stürzte ein kleines Meer in die Dorfhöhle. Greg mußte bis zum Hals darin stecken. Wo immer zum Teufel er war.
Sie konnte die Graphiken jetzt deutlich sehen. Keine ernsten Schäden, jedenfalls nicht an der Panzerung. Drei Muskelkontaktbänder waren ausgefallen, die Energiereserven stimmten, zwei Sensorengruppen hatten auf Ersatzsysteme umgeschaltet. Die Ware berechnete schon neue Ladepfade für die verbliebenen Muskelkontaktbänder. Suzi konnte sich bewegen, konnte kämpfen.
Das Mikro fing Ripgunfeuer auf.
»Da sind zwei!« schrie jemand über Funk. Hörte sich an wie Robbie. »Höhle 3B, feindlich und aktiv.«
»Ich sehe sie auch.«
»Isaac, ballern wir mal ein paar Airbuster dort rein.«
»Kommen sofort.«
»Lilian, schicke eine Aufklärungsdisk nach 4C hinunter; Isaac glaubte, dort einen Feind zu sehen.«
»Könnte einer von unseren Leuten sein.«
»Keine Reaktion von Harris.«
Suzi bemerkte, daß ihr die Ripgun abhanden gekommen war. Sie setzte sich Richtung Dorfhöhle in Marsch. Die Panzerung reagierte zunächst steif, fast, als müßte Suzi das Gewicht selbst tragen. Dann war die Umprogrammierung der Muskelkontaktbänder abgeschlossen, und Suzi wurde schneller. Auch mit dem Knie ging es wieder viel
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