Mindstar 03 - Die Nano-Blume
selbst zu denken. Und natürlich habe ich sie für die Aussaatpflanze milliardenweise gezüchtet.«
»Gütiger Himmel!« Julia starrte den Außerirdischen an. »Ist es das? Ein empfindungsfähiger Mikrobenhaufen?«
»Nein, leider nicht. Der denkende Organismus ist erst Stufe eins. Danach fangen die eigentlichen Schwierigkeiten an. Diese Außerirdischen beherrschen das eigene genetische Erbe; sie können einzelne Gene bewußt ein- und ausschalten. Gott weiß, woher sie diese Fähigkeit haben. Wer hätte schon mal was von sofortiger Evolution gehört?«
»Ich bin proteischer Natur«, warf das Hexaemeron ein. »Interne Zellmodifizierungen, um spezielle Funktionen zu erfüllen, sind charakteristisch für mich.«
»Yeah, richtig«, sagte Royan. »Jedenfalls ist das hier der Raum, wo die Mikroben ihre kritische Masse erreichten. Danach begann das Hexaemeron aus eigener Kraft, ganz neue Zelltypen zu entwickeln, und verlagerte sein Bewußtsein dorthin. Das ist es, was ihr vor euch seht, ein proteisches Wesen, das sich selbst umgestalten kann, um in jeder Umwelt zu überleben.
Ich dachte zunächst, die Aussaatpflanze würde mutieren, dachte an sowas wie einen transgenetischen Vorgang, bei dem die Mikroben die Landkoralle infizierten. Im Grunde eine ganz brauchbare Vermutung. Man erlebt das manchmal bei wirklich komplexer Bioware, die Löschung oder Verlagerung von Chromosomen, bis das Schema des Wachstums so verzerrt ist, daß man es nicht wiedererkennt. Deshalb habe ich die Gammaminen montiert, als letztes Mittel. Himmel, außerirdische Zellen mit einer exponentiellen Wachstumsrate – wer weiß, wozu das geführt hätte! Ein Krebs von der Größe einer Arcologie, der sich bis zur Hyde Cavern durchfrißt. Ich konnte mich schon dabei sehen, wie ich dir das zu erklären versuche, Schneeglöckchen. Ich habe also versucht, die Art der Mutation zu bestimmen, um sie isolieren zu können – da ist der Mistkerl auf mich losgegangen.«
»Du hättest mich zerstört«, sagte das Hexaemeron gelassen.
»Vielleicht«, sagte Royan. »Aber nicht sofort. Ich möchte lernen, verstehen. Nur Barbaren zerstören etwas grundlos. Wir sind in der Evolution vielleicht nicht so weit fortgeschritten wie du, aber ich neige zu der Auffassung, daß wir über sowas hinaus sind.«
»Was meinst du damit, daß er auf dich losgegangen ist?« wollte Greg wissen.
»Genau das, was du vor dir siehst, Greg. Alle proteischen Zellen, die dieses neue Bewußtsein erzeugt hatte, ballten sich zu einer mordsmäßigen Amöbe zusammen und verschluckten mich komplett. Sie wollte mich zu Brei zerdrücken und verdauen, mich als Nährstoff für neue proteische Zellen verwenden.«
Greg warf Julia einen kurzen Blick zu. Sie war blaß geworden und starrte in Royans beschattetes Gesicht hinauf. Wogen aus Schuldgefühl und Ekel quälten sie. Bei der ganzen Vorstellung wurde auch ihm ziemlich übel.
»Und wie haben Sie ihn daran gehindert?« fragte Rick.
»Heh, Sie sprechen mit dem Sohn«, sagte Royan mit seiner alten Großspurigkeit. »Ich war einer der verdammt besten Netzjockeys, die sich je in den Ring zu Hause eingestöpselt haben. Als das Hexaemeron seine Jonasnummer durchzog, habe ich seine Befehlsprozeduren verpfuscht. Seht ihr, jedes empfindungsfähige Wesen, wie verrückt auch immer, funktioniert auf die gleiche Weise: Wahrnehmung, Analyse, Reaktion. Intelligenz besteht in der Datenverarbeitung, und diese wiederum geschieht in Form von Netzwerken und Routinen. Was wiederum bedeutet, daß man den Vorgang mit der richtigen Art von Falschinformationen stören kann. Mit Ware geht das leicht; Viren gibt es schon so lange wie integrierte Schaltkreise. Organische Hirne sind ein wenig schwieriger zu knacken; mit hochfrequentem Licht kann man Epilepsie auslösen, aber das ist primitiv. Übersinnliche verpfuschen das Gedächtnis und die Wahrnehmung direkt mit Hilfe von Trugbildern. Das Militär hat eine ganze Palette an Verwirrungstaktiken entwickelt. Es ging also nur darum, etwas Passendes zu finden.
Das Hexaemeron verarbeitet seine Daten in einer homogenen Zellstruktur, einem Mittelding zwischen einem Bioware-Prozessor und einem Neuralnetz. Ich habe mein Störvirus eingespeist und die Zellen, die mich angriffen, voll abgestoppt. Dann habe ich meine eigenen Managementroutinen überspielt und die Kontrolle übernommen. Das Problem war, daß ich nicht alle Zellen rechtzeitig erwischt habe. Das Hauptbewußtsein des Hexaemeron sah, was ich tat, und isolierte die von mir
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