Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Aber wo wäre dort unser Platz?«
»Ist es sowas?« fragte Julia. »Eine Art Gemeinschaftsbewußtsein? Eine Insektenmentalität?«
»Überhaupt nicht. Organisation unterscheidet sich von Gehorsam. Sowohl die Tiere als auch die Insekten haben hohe soziale Ordnungen entwickelt. Sind cliquenbewußt, wenn du es so nennen möchtest. Sobald sie sich auf einem Territorium niedergelassen haben, wagen sie sich nicht mehr hinaus.«
»Das hat einen nachteiligen Klang für mich«, sagte Julia. »Man braucht schließlich ein gewisses Maß an gemischter Fortpflanzung, um die Lebensfähigkeit einer Art zu erhalten.«
»Natürlich hält jeder Clan Kontakt zu seinen Nachbarn, und bedeutende Arten haben ein gewisses Maß an bewußter Kontrolle über ihr Keimplasma.«
»Ich finde diese Fähigkeit immer noch völlig unglaublich«, sagte Julia. »Es ist vielleicht der erschreckendste Aspekt von allen. Aber selbst falls ich dir glaube, daß du für den friedfertigen Charakter der einzelnen Arten bürgen kannst, die in dir enthalten sind – was soll sie daran hindern, sich innerhalb weniger Generationen bis zur Unkenntlichkeit zu verändern? Falls sie auf ihre Umwelt reagieren und sich ihr anpassen, müssen sie beträchtliche Veränderungen durchlaufen, körperlich und geistig. Und ich muß mir die Frage stellen, wie sie auf Menschen reagieren. Denn wir sind keine Heiligen. Auch unsere Tiere nicht. Auf der Erde ausgesetzt, müßten Außerirdische sich vor den Unwissenden und Verängstigten schützen, ganz zu schweigen von den ideologisch Verblendeten. Kannst du dafür garantieren, daß deine Spezies keine Hörner und Reißzähne entwickeln, daß sie nicht zurückschlagen?«
»Nein, natürlich nicht. Nicht, wenn sich solche Umstände ergeben. Deshalb habe ich Royan auch den Mars vorgeschlagen. Es lohnt sich, darüber nachzudenken; ich biete an, den Mars der menschlichen Rasse abzukaufen. Du würdest als meine Agentin auftreten und entsprechend profitieren. Führe für mich Verhandlungen, Julia Evans; ich behaupte nicht, in dieser Fertigkeit bewandert zu sein, während du die weltweit anerkannte Expertin bist. Du verfügst über die materiellen und politischen Mittel, um diese Vereinbarung herbeizuführen. Als Gegenleistung vervielfältige ich mich und arbeite als voll funktionsfähige Asteroidensaatpflanze. Eine, die nur auf dich hört. Zusätzlich könnte man die Venus terraformen. Ich enthalte die genetischen Codes für Algen, die das Kohlendioxid in der Venusatmosphäre verdauen können. In Anbetracht der Ressourcen und finanziellen Mittel, die die Asteroidensaat dir einbringen würde, wäre es kein Problem, diese Algen in ausreichender Menge zu produzieren. Die Eigenrotation der Venus auf einen Zyklus von vierundzwanzig Stunden zu beschleunigen, das überstiege wahrscheinlich meine Fähigkeiten. Ich würde Event Horizon jedoch ein mit der menschlichen Körperchemie verträgliches Getreide liefern, das in Tagen gedeihen würde, die jeweils vier Erdmonate dauern. Ich kann blühen, Julia Evans, wenn du mich läßt.«
Julia zögerte für einen Moment. Sie zweifelte nicht daran, daß das Hexaemeron das Angebot mit solider Bioware – außerirdischer Bioware – untermauern konnte, und falls irgendwas davon durchsickerte, würde es zu einem Lawineneffekt kommen, unwiderstehlich werden. Die Politiker würden das Hexaemeron mit offenen Armen begrüßen; der Reichtum, den es bieten konnte, reichte aus, um jedes Parteiprogramm zu erfüllen. Entweder hielt sie es auf, tötete es auf der Stelle, oder die Ereignisse nahmen ihren Lauf und entzogen sich jeder Einflußnahme durch sie. Intelligente, wohlwollende Außerirdische auf dem Mars, die Asteroiden zu Goldtresoren ausgehöhlt, die Venus gebändigt. So verlockend! Sie konnte den Midas zum Dionysos des Hexaemerons spielen.
Und seht, was mit Midas passiert ist.
Julia blickte sich um. Ricks junges Gesicht zeigte einen absolut ehrfürchtigen, leicht gequälten Ausdruck, benommen und abgöttisch. Greg wirkte abgezehrt, verloren in seiner Trauer um Suzi. Royan zu konsultieren war unmöglich; sie wußte, daß er ihr in dieser Sache keinen Rat geben, sondern nur sagen würde: »Sieh nur, wohin mein Sachverstand uns geführt hat.« Selbst wenn sie allem anderen in ihrer Beziehung gegenüber blind gewesen wäre, das wußte sie genau.
Das alles machte ihr Angst vor dem, was danach geschehen würde; ob das Hexaemeron nun freigesetzt oder vernichtet wurde, sie beide müßten über das schlüssig
Weitere Kostenlose Bücher