Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Ablenkung. Nicht jemand, der einen bleibenden Eindruck hinterließ. Aber sie wußte, daß sie für Fabian für den Rest seines Lebens eine wundervolle Erinnerung sein würde. Das größte Geschenk, das ein Fünfzehnjähriger je erhalten konnte – von seinem Standpunkt aus beurteilt. Und wer weiß, ich verändere vielleicht sogar seine Sicht des Lebens.
Charlotte verzog sinnlich die Lippen. »Es wird dir nicht gefallen.«
»Was?«
»Als ich dich auf dem Newfieldsball getroffen habe, fand ich dich irgendwie süß.«
»Süß?« sprudelte er bestürzt hervor.
»Ich habe dich gewarnt.«
»Oh.« Fabian warf das Gewehr wieder auf den Ramschhaufen und kratzte sich den Hals. »Wirklich?«
»Ja.«
»Also magst du mich wohl ein bißchen.«
»Das denke ich auch.«
Er schien vor Stolz zu wachsen. »In Ordnung! Können wir jetzt schwimmen gehen?«
Es gab wirklich ein Schwimmbecken an Bord. Ein überraschend großes, fünfzehn Meter lang, sechs breit. Die Badehalle bot auch eine Bar an einem Ende, und Solarscheinwerfer leuchteten von einem Hologrammhimmel herab. Sonnenstühle waren an einer Seite des Beckens aufgestellt, während die andere Seite bündig mit der Wand abschloß; die Unterkante der Fenster lag zehn Zentimeter über dem Wasser.
Charlotte probierte das Wasser mit einem Fuß und arbeitete sich achselzuckend aus dem Frotteebademantel. Darunter trug sie einen leuchtend scharlachroten Badeanzug mit einem Kreuzbänder-Rückenteil. Fabian betrachtete sie mit kühnem Gesicht und schüchternem Blick, während sie sauber ins Wasser tauchte.
Sie schwamm zu den Fenstern hinüber und blickte hinunter aufs Mittelmeer. In Wasser schwimmen, das seinerseits durch die Luft schwebte – wie seltsam. Und wieder hatte sie dieses Gefühl, daß etwas nicht in Ordnung war. Es war mittlerer Nachmittag, und die Sonne sank vor der Colonel Maitland zum Horizont hinab. Sie beschloß, Baronski anzurufen, sobald sie in Odessa eintraf, und ihn aufzufordern, daß er ihr einen neuen Kunden suchte. Fabian konnte man fast als süß einstufen; er war sicherlich leichtgläubig und leicht zu beherrschen. Aber sie war auf keinen Fall bereit, den nächsten Monat in einem Luftschiff eingesperrt zu verbringen, in dem sie sonst mit niemandem reden konnte.
»Soll ich die Wellenmaschine einschalten?« fragte Fabian.
»Vielleicht später. Ich bin noch dabei, mich an die Idee eines Pools in der Luft zu gewöhnen. Wellen wären übertrieben.«
Er drehte sich auf den Rücken und trieb davon. »Das Becken ist sehr sinnvoll, weißt du. Es wiegt weniger als der Wasserstoff, der früher auf dem Schiff gespeichert war. Und Wasser ist der beste Ballast; man kann es leicht ablassen.«
»Möchtest du mir damit sagen, daß wir in einem Notfall durch den Abfluß gespült werden?«
Fabian lachte. »Nein, natürlich nicht, Dummes. Der Abfluß ist mit einem Gitter abgedeckt.«
Charlotte stieß sich von den Fenstern ab. »Fabian, wo gehst du zur Schule?«
»Hier; ich benutze Lernprogramme mit variablem Lerntempo auf meinem Terminal. Aber ich gehe später auf die Universität. Vater hat das gesagt. Cambridge, hoffe ich. Dort ist er hingegangen. Ich möchte Wirtschaftswissenschaften belegen, damit ich das Handelsunternehmen von ihm übernehmen kann.«
»Wann kommst du dann mal raus?«
»Raus?«
»Von Bord der Colonel Maitland.«
»Oh, wenn wir einen Hafen anlaufen, wo Vater Geschäfte zu erledigen hat. Oder wenn wir auf eine Party gehen.«
»Wie findest du dann Freunde?«
Fabians gute Laune war dahin. Er stand mitten im Becken auf. »Zu der Gesellschaft, die von Party zu Party gondelt, gehören noch weitere Kids. Und ich rede mit Leuten über die Telefon-Chatverbindung.«
Sie schwamm zu ihm und stand auf; das Wasser reichte ihr bis zu den Ellbogen. Er hob den Kopf, um sie anzusehen.
»Das ist nett«, sagte sie. »Da lernst du wohl viele verschiedene Leute kennen.«
Fabian nickte. Er senkte den Blick zum Ausschnitt ihres Badeanzuges und starrte ihn an. Sie schob die Brust ein Stück vor. Bedauerte es gleich wieder, als Fabian ganz still wurde; ihn zu locken, war eine heikle Angelegenheit. Er stand kurz vor der Panik.
»Ja?« fragte sie sanft.
»Charlotte …« Sie konnte richtig sehen, wie er seinen Mut sammelte. »Charlotte, kann ich dich jetzt küssen? Du brauchst nicht ja zu sagen.«
Sie trat langsam einen Schritt vor, amüsiert von seinem plötzlich erschrockenen Gesicht. Sie packte ihn an den Schultern und gab ihm einen langen Kuß, den sie
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