Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Mädchen in dem Liegestuhl neben ihr anzusehen.
Andria war neunzehn, schmal und langgliedrig; das dunkle gewellte Haar fiel ihr bis über die Schultern. Sie hatte ein herzförmiges Gesicht mit einer flachen Nase und großen, ewig neugierigen Augen, deren Blick anscheinend niemals länger als ein paar Sekunden auf irgend etwas ruhen blieb. Die ganze Welt war für Andria ein Quell ständigen Entzückens; sie mußte alles sofort ausprobieren und weitergeben. Zu all dem kam ihre Schüchternheit, die ein provozierendes Aphrodisiakum war.
Daß sie schwanger war, zeigte sich bislang nicht. Sechs Wochen, nachdem die auf parthenogenetische Fortpflanzung spezialisierte Londoner Klinik Suzis Ovum befruchtet und sicher in Andria eingepflanzt hatte, war der kaffeebraune Bauch des Mädchens immer noch flach und fest.
Sie waren sich vergangenen Oktober in einem Nachtclub in New Eastfield begegnet; Suzi hatte mit einigen Leuten aus ihrem Team einen finanziellen Raubzug gefeiert, und Andria war mit ihrem Freund ausgegangen.
Suzi brauchte drei Wochen, um Andria ins Bett zu locken, und nutzte dazu die heitere, vertrauensvolle Art des Mädchens schamlos aus. Sie war seit der Zeit bei den Trinities nicht mehr so entschlossen hinter jemandem hergewesen; es schien, als wäre sie trunken von schierer Lust. Die erste gemeinsame Nacht war jede qualvolle Sekunde der Wartezeit wert. Sie benutzte Andrias Körper, um eine Phantasie nach der anderen auszutoben, nur um festzustellen, daß sie einfach immer noch mehr wollte. Das bedeutete, daß Suzi zum erstenmal seit langer Zeit gezwungen war, einem Menschen zu sagen, wieviel sie für ihn empfand.
Andria zog Anfang Dezember bei ihr ein, bestand allerdings darauf, ihre Stelle als Datenmischerin bei einem örtlichen Schiffsmakler zu behalten. Diese Art von stillem Stolz war es, was Suzi so rätselhaft und faszinierend fand. Ein Mädchen, das nachts mit ihr jede Hemmung fallenließ und sich trotzdem weigerte, abhängig zu werden. Andria bot Suzi mehr als erotische Befriedigung; sie stillte das Verlangen der Seele.
Also raffte Suzi im Januar, kurz vor Beginn der Arbeit am Johal-HF-Auftrag, ihren Mut zusammen und bat Andria, sich mal zu überlegen, ob sie ihr Kind austragen wollte.
»Aber wieso?« fragte Andria, während Suzi auf ihr lag.
In der klimatisierten Dunkelheit, die im Schlafzimmer des Penthouses herrschte, konnte man nur ansatzweise Silhouetten erkennen, aber Suzi wußte, daß Andria jetzt die Stirn runzelte. »Weil es ein Ausweg für mich ist«, antwortete sie und wand sich innerlich, weil sie ihre Verletzlichkeit offenlegte. »Diese Scheiße, in der ich stecke, ich weiß, daß sie schlimm ist, aber sie macht auch süchtig. Ich werde high davon. Ich kann da nicht raus. Nichts außerhalb der Teksöldnerbranche versetzt mir einen solchen Schuß. Ich hab sie alle erlebt, bekloppte Arschlöcher, die sagen, sie würden aufhören, sobald sie die dicke Knete gemacht haben. Das schaffen sie nie; sie leben ein paar Monate unabhängig, vielleicht sogar ein paar Jahre; dann kommen sie wieder angekrochen, aber ihr Schneid ist futsch.«
Sie spürte Andrias Finger, die ihr sachte ums Kinn strichen. »Du könntest immer als Sicherheitsberaterin in einem Unternehmen arbeiten; deine Erfahrung muß schließlich …« begann das Mädchen.
»Quatsch. Der Sicherheitsdienst eines Kombinats würde mich nie auch nur mit der Kneifzange anfassen. Obendrein möchte ich ganz raus aus dem Geschäft. Hab auch das nötige Geld dazu.«
»Aber was würdest du dann tun?«
»Bürgerlich werden. Scheiße, ich weiß, es klingt nur blöd. Okay? Aber ich würde der Konvention gern mal eine Chance geben. Ich habe an einen Pub oder ein Hotel gedacht, vielleicht einen Club.«
»Wenn ein Beraterjob dir nicht den nötigen Nervenkitzel verschafft, dann denke ich nicht, daß ein Pub das ist, was du brauchst.«
»Ich kenne jemanden«, flüsterte Suzi. »Jemanden, der früher auch diesen Scheiß gemacht hat, ein echter Hardliner. Er ist ausgestiegen, sauber und elegant. Meine Güte, was für ein Typ! Einer unter all den Tausenden.«
Andria küßte sie leicht auf die Kehle, versuchte sie durch Intimität zu trösten. »Und er hat es geschafft, indem er konventionell wurde?«
»Yeah.« Dieses Bild tauchte wieder auf, um sie heimzusuchen: Greg und Eleanor, wie sie durch den Gang der schnuckeligen kleinen Kirche von Hambleton schritten und sich dabei strahlend anlächelten, ohne sonst jemanden wahrzunehmen. Suzi hatte
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