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Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Mindstar 03 - Die Nano-Blume

Titel: Mindstar 03 - Die Nano-Blume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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er bestand aus breitblättrigen Bäumen, drapiert mit blaßgrauen und grünen Epiphytmoosen, verknüpft durch ein Filigranwerk aus Rebengewächsen. Die Konzerntruppe hatte ganze Familien kleiner bunter Vögel ausgebrütet, um die Ökologie abzurunden. Julia lachte entzückt über die Eskapaden der Tiere, während sie aus dem Wald hervorflatterten und wieder hineinfegten. Royan war ganz verzaubert von der Fülle an Blumen in ihrem natürlichen Lebensraum, schnupperte ihre exotischen Düfte, pflückte sie und hielt sie in die Sonne. Er erinnerte Julia an ein Kind, das nach einem langen frostigen Winter in einem Frühlingsgarten herumtoben durfte.
    Sie aßen auf der knarrenden Veranda zu Abend und gingen zu Bett, sobald die letzten Lichtstrahlen hinter dem Horizont verblaßten.
    Royan war nach Julias unbewußten Wünschen gestaltet worden, groß, stark, breitschultrig, genauso, wie sie sich in der Phantasie seinen Verstand vorstellte, eine Statur, die zum Intellekt paßte. Es war seltsam verlockend, wenn man die Macht hatte, sich einen Liebhaber nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und sicherzustellen, daß keiner von beiden enttäuscht wurde. Royan hatte nie Einwände gegen das Rehabilitierungsprogramm erhoben, das Julia ausgewählt hatte; es war nach seiner früheren Verfassung eine Wohltat. Wie Julia wünschte er sich, daß sein neues Selbst so weit von der verkrüppelten Hülse in Mucklands entfernt war, wie man es körperlich nur hinbekam.
    Drei Monate lange taten sie nichts anderes, als in der Sonne zu faulenzen und sich zu lieben. Royan lernte schwimmen. Julia lernte kochen oder wenigstens grillen. Dann stellte sie fest, daß sie mit Daniella schwanger war.
    Strotzend vor Optimismus und erfüllt von einem übersteigerten Gefühl von Allmacht, kehrten sie nach England zurück. Es war die Zukunft, nach der sie griffen, reich, jung und datengewandt, wie sie nun mal waren; digitale Nachwuchsgötter, die sich ihr neues leuchtendes Reich schmiedeten.
    Später dachte Julia oft, daß sie beide damals leicht verrückt gewesen waren, auf diese anmaßende Art, die sich stets einstellte, wenn die Macht gewährt wurde, Träume zu verwirklichen. Aber sie beide bildeten eine einzigartige Kombination: Ihr Geld, sein Talent als Netzjockey; das Ergebnis war synergistisch. Sie gab ihm Zugriff auf Ware der Forschungsabteilung von Event Horizon, so neu, daß nicht mal die Sicherheitsprogrammierer schon davon wußten. Er belohnte sie mit dem Persönlichkeitspaket, einem digitalen Mikrowesen, das innerhalb jedes Prozessorkerns laufen konnte, unabhängig und zur Selbstbestimmung fähig, ein Wesen, dessen Zweck in den Gedanken seines Urhebers widergespiegelt war.
    Gemeinsam ließen sie eine wahre Sintflut dieser geisterhaften Konglomerate auf die globalen Datennetze los, plünderten die Forschungskerne rivalisierender Unternehmen, vergrößerten die technologische Basis von Event Horizon. Dann nahmen sie das ganz große Ziel ins Visier, den Elektronen-Kompressions-Sprengkopf. Ihre superkomprimierten Datenpakete drangen in die Prozessorkerne der Sandia-Nationallabors ein, machten sich in den Managementroutinen breit und zogen jede Datei heraus, die sie finden konnten.
    Das Fernsehen nannte die Elektronenkompression die Atombombe der Reichen, ein Sprengkopf, der eine Explosion im Megatonnenbereich erzeugte, aber ohne den Fallout von Nuklearwaffen. Nur Amerika, die Russische Republik und China beherrschten damals diese Technik, obwohl Gerüchte davon sprachen, daß Japan einen erfolgreichen Test unter dem Pazifik durchgeführt hätte.
    Julia ließ die Elektronen-Kompressions-Sprengköpfe auf einem Cyberfabrikschiff herstellen, das in internationalen Gewässern schwamm, und setzte sie ein, um New London auf eine Erdumlaufbahn zu befördern. Die Mineralvorkommen des Asteroiden verschafften Event Horizon gemeinsam mit den Lizenzgebühren für den Gigaleiter eine finanzielle Vorherrschaft, an die die Kombinate nicht mehr heranreichen konnten.
    Julia gab Royan Aufgaben, die er sich in Mucklands Wood nie hätte vorstellen können, schenkte ihm eine Liebe, die er nie zuvor erfahren hatte, schenkte ihm die beiden tollsten Kinder. Dann mußte sie hilflos mit ansehen, wie er das Interesse an jedem ihrer Geschenke verlor. Sie kam sich dabei so klein und verlassen vor, denn ihr war nichts mehr geblieben, was sie ihm noch hätte geben können. Als er schließlich ohne eine Erklärung fortging, klammerte sie sich verzweifelt an die Kinder, eine

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