Mindstar 03 - Die Nano-Blume
»Außerirdisch?«
»Ja.« Julia saß in einem der Ohrensessel aus weißem Leder im Wohnzimmer. Wenn man genau hinsah, entdeckte man Spannungslinien um Augen und Mund.
Suzi warf Greg einen Blick zu. »Und was hältst du davon?« Vor seiner Intuition hatte sie schon immer Ehrfurcht empfunden, und sie beneidete ihn nicht wenig darum. Hätte sie irgend etwas in dieser Art gehabt, wäre Leol Reiger nie so locker gewesen, wenn es um sie ging. Was immer Greg von der Blume hielt, sie war es zufrieden, ihm zuzustimmen.
Außerirdische lagen so weit außerhalb ihrer Vorstellungswelt, daß sie überhaupt nicht wußte, wie sie reagieren sollte – außer vielleicht laut schreien und weglaufen. Aber falls Julia recht hatte, daß sie schon im Sonnensystem eingetroffen waren, dann benahmen sie sich verdammt komisch. Und wie sahen sie wohl aus? Und wichtiger, was wollten sie? Wozu die Geheimniskrämerei? Schon beim Gedanken daran bekam sie Kopfschmerzen.
»Die Blume ist real genug«, meinte Greg. »Aber wie die Außerirdischen wohl sind – ich habe keine Ahnung.«
»Scheiße. Du bist ja eine große Hilfe!«
»Vergiß die Schlußfolgerungen, wenn du dich dann besser fühlst«, sagte Greg. »Konzentriere dich auf das, womit du es unmittelbar zu tun hast. Alles, was wir morgen tun werden, ist diesen Kurier aufstöbern und herausfinden, woher sie die Blume hatte. Von da an übernimmt Julia.« Er warf immer wieder Blicke auf den Balkon hinaus, wo Andria im Liegestuhl lag.
»Da wette ich«, brummte Suzi. »Sternenschifftechnik sollte einen ganz schönen Batzen einbringen, selbst für deine Begriffe.«
Julia hantierte nervös mit den Fingern auf ihrem Schoß. »Ich möchte nur Royan wiederhaben, mehr nicht.«
Dieser Name war ein Omen, ein ganz schlechtes. Suzi spürte richtig, wie er sie an ihre Vergangenheit kettete und dorthin zurückzog. Greg ging es genauso, überlegte sie, war innerlich ganz zappelig. Er war so einer Sache im Grunde nicht mehr gewachsen, nicht in seinem Alter; er war zu lange draußen gewesen, und die Dinge hatten sich verändert. Respekt fand man nicht mehr, und Gewalt nahm zu. Die Schwierigkeit bestand nur darin, daß sie alle Royan enorm viel zu verdanken hatten. Ohne ihn und seine Fachkenntnisse als Netzjockey wären die Trinities ausgelöscht worden.
»Hast du wirklich vor, nach dem kleinen Spinner zu suchen?« fragte sie Greg.
»Yeah.«
»Ach Scheiße, du kannst auf mich zählen.«
Kapitel sieben
Zu allem Überfluß jetzt das noch! Julia stieg in mieser Laune die Treppe vom Hyperschallflugzeug hinunter. Heute hatten die Kinder ihr Schulfest; das versäumte sie nie, und sie hatte auch diesmal nicht vor, damit anzufangen.
Auf dem Dach des Event-Horizon-Turms wehte ein kühler Wind vom Land. In der Tiefe bedeckte ein dicker milchiger Nebel den Morast und die Fahrkanäle, stieg sogar hoch genug, um die ineinandergreifenden Metrogleise zu verschlucken. Die Sonne war ein blasser rosa Nebel, der irgendwo draußen über der Wash hing.
Kirsten McAndrews wartete neben dem Landeplatz auf Julia. »Ist der Unterhändler von Mutizen schon da?« fragte Julia.
»Ja, er ist mit der Metro gekommen, gleich nachdem du das Treffen telefonisch vereinbart hast.« Kirsten räusperte sich behutsam. »Die walisische Delegation wartet auch noch.«
»Meine Fresse! Was machen die eigentlich? Schlafen die hier?«
Kirsten schwieg diplomatisch.
Julia warf einen Blick hinüber zum Prior’s-Fen-Atoll, wo die Arcologie des Mutizen-Kombinats aus dem öligen Nebel aufragte; Aufwinde an den schrägen Wänden erzeugten bedächtig kreisende Wirbel rings um die Basis.
Kanal zu den SelfCores öffnen. Ihr drei solltet lieber recht haben, was das angeht, sagte sie knapp.
Das haben wir, erwiderte NN-Kern eins gelassen. Das Laborteam in Cambridge war die ganze Nacht auf, um die Daten zu prüfen; das Konzept unterscheidet sich grundlegend von jeder heutigen Technik.
Julia stutzte darüber. Anders oder nur fortschrittlicher?
Anders; ganz neue Prinzipien liegen ihr zugrunde. Mutizen hat einen echten Durchbruch geschafft, wie es aussieht. Deshalb haben wir der Nachricht von Peter Cavendish auch höchste Priorität gegeben.
Klar, danke. Sie bohrte sich mit den Fingerknöcheln etwas Restschlaf aus den Augen. Das Fens-Becken war um diese Tageszeit viel ruhiger, passiv und sauber, weniger geladen. »Ich hatte schon vergessen, wie erfrischend die Morgendämmerung am Meer sein kann«, sagte sie zu Kirsten McAndrews, als sie den
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