Mindstar 03 - Die Nano-Blume
Augen etwas mehr Leben gäbe, wäre es das Werk eines brauchbaren Künstlers. Nett zu sehen, daß jemand den alten Formen die Treue hält. Die heutigen Kids reden sonst nur noch mit ihren Graphiksimulatoren.«
»Meine Fresse, ein Gauner und Kunstkritiker! Clifford, was machst du hier?«
Er deutete mit dem Glas auf seine Frau. »Wir schulen die Kinder hier ein. Ich bin heute meist in Europa, also dachten wir, wir bringen sie hier ins Internat, geben ihnen die Chance auf etwas Dauerhaftigkeit in ihrem Leben. Das Problem ist nur, auf der Warteliste für diese Schule geht es allmählich ziemlich eng zu. Kann mir gar nicht denken, wieso.«
Das war auch so ein Aspekt ihres Lebens, an dem Julia keine Freude hatte. Sie hatte sich für die Oakham School entschieden, weil sie gut war, nicht weit von Wilholm lag und Greg und Eleanor ihre Kinder hierherschickten. Daniella und Matthew waren damit nicht ohne Freunde und brauchten nicht ins Internat, eine Vorstellung, die für Julia nicht erträglich gewesen wäre. Sie hatte Vertraulichkeit vereinbart, aber innerhalb einer Woche nach Daniellas Einschulung war jeder Platz für die nächsten zehn Jahre ausgebucht gewesen. Gerüchte wollten wissen, daß Plätze für Matthews Jahrgang für über eine Viertelmillion Eurofrancs verkauft worden waren.
»Clifford, Sonnie ist erst zwei«, sagte sie.
»Zwanzig Monate, und in jeder Hinsicht so schön wie ihre Mutter.«
»Oh, na ja, ich wünsche dir viel Glück. Es ist eine gute Schule; Daniella und Matthew sind gern hier.« Sie ging zum nächsten Gemälde weiter, ein rostendes benzingetriebenes Auto, aus dessen Dach eine Cokeflasche herauswuchs. Ein Elternpaar war ganz in die Betrachtung vertieft. Die Frau stieß ihren Ehemann an, der aufblickte und zusammenzuckte, als er Julia sah. Julia zeigte ihnen ein kurzes Lächeln.
»Julia, ich habe es ernst gemeint, was uns angeht.«
Wieso nur bekam er sein Stichwort nicht mit? »Ich bin Mutter von zwei Kindern, weißt du noch?«
»Du bist alleinerziehende Mutter, und das seit acht Monaten.« Sein Gesicht war ernst.
»Was weißt du schon davon?«
»Daß er ein Dummkopf ist. Daß er nicht zurückkommt.«
»Er kommt zurück.«
»Sei ehrlich zu dir, Julia. Acht Monate!«
»Ob acht Monate oder acht Jahre, das ist für mich einerlei. Ich warte.«
Clifford Jepson schluckte den Rest seines Drinks hinunter. Als Julia genauer hinsah, bemerkte sie, daß er seltsam ängstlich wirkte. Fast erschrocken.
»Können wir reden?« fragte er.
»Nicht, wenn du weitere ungebührliche Anträge machst.«
»Es ist wichtig, Julia.«
Das letzte, was sie wollte, war über Geschäfte reden. Oliver, Anita und Richy hatten Eleanor weggezerrt, um sich die Ausstellungsstücke der verschiedenen Abteilungen anzusehen. Matthew und sein Leibwächter hatten sich ihnen angeschlossen. Daniella und Christine gehörten zu einer großen Gruppe von Mädchen in einer Ecke des Festzelts; Daniellas Leibwächter zeigte einen müden, toleranten Ausdruck.
»Fünf Minuten«, sagte Julia.
Der Sportplatz lag so gut wie verlassen da. Leute vom Instandhaltungspersonal der Schule hatten schon begonnen, das Podium abzubauen; zehn Jungen stapelten unter der Aufsicht eines Lehrers die Stühle auf. Vor sich sah Julia das Kricketfeld des ersten XI, das sich als heller Streifen Smaragdgrün vom restlichen ausgedörrten Rasen abhob. An einer Seite des Platzes verkündete die Anzeigetafel immer noch die Ergebnisse des letzten Spiels. Das war eine der altmodischen Angelegenheiten hier, ein kleines kastenförmiges Haus aus dem letzten Jahrhundert, in dem Jungen der unteren Jahrgänge herumliefen, um die Zahlen zu wechseln.
Als Royan zum erstenmal kam, um sich ein Spiel anzusehen, hatte Matthew es ihm erklären müssen. Julia war erstaunt über die Primitivität des Systems; der Punktezähler trug die Läufe sogar in ein großes Hauptbuch aus Papier ein. Royan fand das natürlich toll. Es war ein schöner Nachmittag gewesen, erinnerte sie sich; nach dem Spiel waren sie mit Matthew, Daniella und einigen ihrer Freunde in ein Café in der Stadt gegangen, um Tee zu trinken. Eine große, lärmende Party, auf der die Kinder alle zuviel Kuchen verdrückten. Keines von ihnen hatte sich darum geschert, wer Julia war.
Julia setzte sich auf eine der Holzbänke, die verstreut rings um die Spielfeldbegrenzung standen, und zog den Hutrand tiefer, um sich vor dem grellen Licht zu schützen. Staub hing in der Luft und kitzelte sie im Rachen.
Clifford Jepson
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